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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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90.
Der junge Riese.

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen, und ward gar nicht größer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen, und pflügen, da sagte der Kleine 'Vater, ich will mit hinaus.' 'Nein,' sprach der Vater, 'bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du könntest mir auch verloren gehen.' Da fieng der Däumling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, so mußte er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche, und auf dem Felde that er ihn heraus, und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. 'Siehst du dort den großen Butzemann?' sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, 'der kommt und holt dich.' Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen nur ein Paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Däumling heraus, und gieng mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen, und glaubte sein Kind wäre nun verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder sehen würde.

Der Riese aber nahm es mit sich, und ließ es an seiner

90.
Der junge Riese.

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen, und ward gar nicht groͤßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen, und pfluͤgen, da sagte der Kleine ‘Vater, ich will mit hinaus.’ ‘Nein,’ sprach der Vater, ‘bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du koͤnntest mir auch verloren gehen.’ Da fieng der Daͤumling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, so mußte er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche, und auf dem Felde that er ihn heraus, und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam uͤber den Berg ein großer Riese daher. ‘Siehst du dort den großen Butzemann?’ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig waͤre, ‘der kommt und holt dich.’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen nur ein Paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus, und gieng mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen, und glaubte sein Kind waͤre nun verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder sehen wuͤrde.

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[24/0040] 90. Der junge Riese. Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen, und ward gar nicht groͤßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen, und pfluͤgen, da sagte der Kleine ‘Vater, ich will mit hinaus.’ ‘Nein,’ sprach der Vater, ‘bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du koͤnntest mir auch verloren gehen.’ Da fieng der Daͤumling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, so mußte er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche, und auf dem Felde that er ihn heraus, und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam uͤber den Berg ein großer Riese daher. ‘Siehst du dort den großen Butzemann?’ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig waͤre, ‘der kommt und holt dich.’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen nur ein Paar Schritte gethan, so war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus, und gieng mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen, und glaubte sein Kind waͤre nun verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder sehen wuͤrde. Der Riese aber nahm es mit sich, und ließ es an seiner

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/40>, abgerufen am 23.11.2024.