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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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Es trug sich zu, daß bald hernach die Mutter die beiden Mädchen nach der Stadt schickte, Zwirn, Nadeln, Schnüre und Bänder einzukaufen. Der Weg führte sie über eine Heide, auf der hier und da mächtige Felsenstücke zerstreut lagen, da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben, der langsam über ihnen kreiste, sich immer tiefer herab senkte, und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß. Gleich darauf hörten sie einen durchdringenden, jämmerlichen Schrei. Sie liefen herzu, und sahen mit Schrecken daß der Adler ihren alten Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Männchen fest, und zerrten sich so lange mit dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ. Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, sprach er 'konntet ihr nicht säuberlicher mit mir umgehen, gerissen habt ihr an meinem dünnen Röckchen daß es überall zerfetzt und durchlöchert ist, unbeholfenes und täppisches Gesindel das ihr seyd!' Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen, und schlüpfte wieder unter den Felsen in seine Höhle. Die Mädchen waren an seinen Undank schon gewöhnt, setzten ihren Weg fort, und verrichteten ihr Geschäft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, überraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plätzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschüttet und nicht gedacht hatte daß so spät noch jemand daher kommen würde. Die Abendsonne schien über die glänzenden Steine, und sie schimmerten und leuchteten so prächtig in allen Farben, daß die Kinder stehen blieben, und

Es trug sich zu, daß bald hernach die Mutter die beiden Maͤdchen nach der Stadt schickte, Zwirn, Nadeln, Schnuͤre und Baͤnder einzukaufen. Der Weg fuͤhrte sie uͤber eine Heide, auf der hier und da maͤchtige Felsenstuͤcke zerstreut lagen, da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben, der langsam uͤber ihnen kreiste, sich immer tiefer herab senkte, und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß. Gleich darauf hoͤrten sie einen durchdringenden, jaͤmmerlichen Schrei. Sie liefen herzu, und sahen mit Schrecken daß der Adler ihren alten Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Maͤnnchen fest, und zerrten sich so lange mit dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ. Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, sprach er ‘konntet ihr nicht saͤuberlicher mit mir umgehen, gerissen habt ihr an meinem duͤnnen Roͤckchen daß es uͤberall zerfetzt und durchloͤchert ist, unbeholfenes und taͤppisches Gesindel das ihr seyd!’ Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen, und schluͤpfte wieder unter den Felsen in seine Hoͤhle. Die Maͤdchen waren an seinen Undank schon gewoͤhnt, setzten ihren Weg fort, und verrichteten ihr Geschaͤft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, uͤberraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plaͤtzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschuͤttet und nicht gedacht hatte daß so spaͤt noch jemand daher kommen wuͤrde. Die Abendsonne schien uͤber die glaͤnzenden Steine, und sie schimmerten und leuchteten so praͤchtig in allen Farben, daß die Kinder stehen blieben, und

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[327/0343] Es trug sich zu, daß bald hernach die Mutter die beiden Maͤdchen nach der Stadt schickte, Zwirn, Nadeln, Schnuͤre und Baͤnder einzukaufen. Der Weg fuͤhrte sie uͤber eine Heide, auf der hier und da maͤchtige Felsenstuͤcke zerstreut lagen, da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben, der langsam uͤber ihnen kreiste, sich immer tiefer herab senkte, und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß. Gleich darauf hoͤrten sie einen durchdringenden, jaͤmmerlichen Schrei. Sie liefen herzu, und sahen mit Schrecken daß der Adler ihren alten Bekannten, den Zwerg, gepackt hatte und ihn forttragen wollte. Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Maͤnnchen fest, und zerrten sich so lange mit dem Adler herum, bis er seine Beute fahren ließ. Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte, sprach er ‘konntet ihr nicht saͤuberlicher mit mir umgehen, gerissen habt ihr an meinem duͤnnen Roͤckchen daß es uͤberall zerfetzt und durchloͤchert ist, unbeholfenes und taͤppisches Gesindel das ihr seyd!’ Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen, und schluͤpfte wieder unter den Felsen in seine Hoͤhle. Die Maͤdchen waren an seinen Undank schon gewoͤhnt, setzten ihren Weg fort, und verrichteten ihr Geschaͤft in der Stadt. Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen, uͤberraschten sie den Zwerg, der auf einem reinlichen Plaͤtzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschuͤttet und nicht gedacht hatte daß so spaͤt noch jemand daher kommen wuͤrde. Die Abendsonne schien uͤber die glaͤnzenden Steine, und sie schimmerten und leuchteten so praͤchtig in allen Farben, daß die Kinder stehen blieben, und

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/343>, abgerufen am 23.11.2024.