Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.Läppchen steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd, und zog nun fort zu ihrem Bräutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst, und rief ihrer Kammerjungfer 'steig ab, und schöpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bache, ich möchte gern einmal trinken.' 'Wenn ihr Durst habt,' sprach die Kammerjungfer, 'so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn.' Da stieg die Königstochter vor großem Durst herunter, neigte sich über das Wässerlein im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie 'ach Gott!' da antworteten die drei Blutstropfen 'wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.' Aber die Königsbraut war demüthig, sagte nichts, und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, und der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem: da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer 'steig ab, und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken.' Denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber, noch hochmüthiger, 'wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.' Da stieg die Königstochter hernieder vor großem Durst, und legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach 'ach, Gott!' und die Blutstropfen antworteten wiederum 'wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe thät ihr zerspringen.' Und wie sie so trank, und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd, und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst, und rief ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und schoͤpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bache, ich moͤchte gern einmal trinken.’ ‘Wenn ihr Durst habt,’ sprach die Kammerjungfer, ‘so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie ‘ach Gott!’ da antworteten die drei Blutstropfen ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Aber die Koͤnigsbraut war demuͤthig, sagte nichts, und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, und der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem: da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken.’ Denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber, noch hochmuͤthiger, ‘wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst, und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach ‘ach, Gott!’ und die Blutstropfen antworteten wiederum ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Und wie sie so trank, und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="16"/> Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd, und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst, und rief ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und schoͤpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bache, ich moͤchte gern einmal trinken.’ ‘Wenn ihr Durst habt,’ sprach die Kammerjungfer, ‘so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie ‘ach Gott!’ da antworteten die drei Blutstropfen ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Aber die Koͤnigsbraut war demuͤthig, sagte nichts, und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, und der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem: da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken.’ Denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber, noch hochmuͤthiger, ‘wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst, und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach ‘ach, Gott!’ und die Blutstropfen antworteten wiederum ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Und wie sie so trank, und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0032]
Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd, und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst, und rief ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und schoͤpfe mir mit meinem Becher, den du aufzuheben hast, Wasser aus dem Bache, ich moͤchte gern einmal trinken.’ ‘Wenn ihr Durst habt,’ sprach die Kammerjungfer, ‘so steigt selber ab, legt euch ans Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank, und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie ‘ach Gott!’ da antworteten die drei Blutstropfen ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Aber die Koͤnigsbraut war demuͤthig, sagte nichts, und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, und der Tag war warm, die Sonne stach, und sie durstete bald von neuem: da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer ‘steig ab, und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken.’ Denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber, noch hochmuͤthiger, ‘wollt ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.’ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst, und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach ‘ach, Gott!’ und die Blutstropfen antworteten wiederum ‘wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.’ Und wie sie so trank, und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/32>, abgerufen am 16.02.2025. |