Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.148. Des Herrn und des Teufels Gethier. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Wölfe zu seinen Hunden auserwählet; blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit seinen langen Schwänzen. Wenn sie nun zur Weide giengen, blieben sie gewöhnlich mit ihren Schwänzen in den Dornhecken hängen, da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Mühe losknüpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her, und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stümpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschädigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Güte und Gnaden seine Wölfe dran hetzte, welche die Geise, die da giengen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn, und sprach 'dein Geschöpf hat mir das meine zerrissen.' Der Herr antwortete 'was hattest du es zu Schaden erschaffen?' Der Teufel sagte 'ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere 148. Des Herrn und des Teufels Gethier. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit seinen langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide giengen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her, und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, welche die Geise, die da giengen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn, und sprach ‘dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.’ Der Herr antwortete ‘was hattest du es zu Schaden erschaffen?’ Der Teufel sagte ‘ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere <TEI> <text> <body> <pb n="298" facs="#f0314"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">148.<lb/> Des Herrn und des Teufels Gethier.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">G</hi>ott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit seinen langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide giengen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her, und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.</p><lb/> <p>Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, welche die Geise, die da giengen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn, und sprach ‘dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.’ Der Herr antwortete ‘was hattest du es zu Schaden erschaffen?’ Der Teufel sagte ‘ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere </p> </div> </body> </text> </TEI> [298/0314]
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Des Herrn und des Teufels Gethier.
Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen, und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos der Geis hatte er vergessen. Da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise mit seinen langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide giengen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen, und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen. Das verdroß ihn zuletzt, war her, und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist.
Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben beschaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, welche die Geise, die da giengen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn, und sprach ‘dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.’ Der Herr antwortete ‘was hattest du es zu Schaden erschaffen?’ Der Teufel sagte ‘ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andere
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/314>, abgerufen am 03.03.2025. |