Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

seine erwählte Braut ab zu holen. Wie Reginer mit der Botschaft an kam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze ärgerte sich über alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter 'was helfen nun all eure Künste, da ihr mir kein solches Glück verschaffen könnt.' Da sagte die Alte 'sey still, ich will dirs schon zuwenden;' und durch ihre Hexenkünste trübte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen königlichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren, unterwegs, rief der Kutscher

'deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt,
daß du fein schön zum König kommst.'

Die Braut fragte 'was sagt mein lieber Bruder?' 'Ach,' sprach die Alte, 'er hat gesagt du solltest dein gülden Kleid aus ziehen, und es deiner Schwester geben.' Da zog sies aus, und thats der Schwarzen an, die gab ihr dafür einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; über ein Weilchen rief der Bruder abermals

'deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht näßt,
daß Wind dich nicht bestäubt,
und du fein schön zum König kommst.'

Die Braut fragte 'was sagt mein lieber Bruder?' 'Ach,' sprach die

seine erwaͤhlte Braut ab zu holen. Wie Reginer mit der Botschaft an kam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter ‘was helfen nun all eure Kuͤnste, da ihr mir kein solches Gluͤck verschaffen koͤnnt.’ Da sagte die Alte ‘sey still, ich will dirs schon zuwenden;’ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren, unterwegs, rief der Kutscher

‘deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt,
daß du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’

Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du solltest dein guͤlden Kleid aus ziehen, und es deiner Schwester geben.’ Da zog sies aus, und thats der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; uͤber ein Weilchen rief der Bruder abermals

‘deck dich zu, mein Schwesterlein,
daß Regen dich nicht naͤßt,
daß Wind dich nicht bestaͤubt,
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’

Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0280" n="264"/>
seine erwa&#x0364;hlte Braut ab zu holen. Wie Reginer mit der Botschaft an kam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze a&#x0364;rgerte sich u&#x0364;ber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter &#x2018;was helfen nun all eure Ku&#x0364;nste, da ihr mir kein solches Glu&#x0364;ck verschaffen ko&#x0364;nnt.&#x2019; Da sagte die Alte &#x2018;sey still, ich will dirs schon zuwenden;&#x2019; und durch ihre Hexenku&#x0364;nste tru&#x0364;bte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen ko&#x0364;niglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren, unterwegs, rief der Kutscher</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;deck dich zu, mein Schwesterlein,</l><lb/>
          <l>daß Regen dich nicht na&#x0364;ßt,</l><lb/>
          <l>daß Wind dich nicht besta&#x0364;ubt,</l><lb/>
          <l>daß du fein scho&#x0364;n zum Ko&#x0364;nig kommst.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Die Braut fragte &#x2018;was sagt mein lieber Bruder?&#x2019; &#x2018;Ach,&#x2019; sprach die Alte, &#x2018;er hat gesagt du solltest dein gu&#x0364;lden Kleid aus ziehen, und es deiner Schwester geben.&#x2019; Da zog sies aus, und thats der Schwarzen an, die gab ihr dafu&#x0364;r einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; u&#x0364;ber ein Weilchen rief der Bruder abermals</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;deck dich zu, mein Schwesterlein,</l><lb/>
          <l>daß Regen dich nicht na&#x0364;ßt,</l><lb/>
          <l>daß Wind dich nicht besta&#x0364;ubt,</l><lb/>
          <l>und du fein scho&#x0364;n zum Ko&#x0364;nig kommst.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Die Braut fragte &#x2018;was sagt mein lieber Bruder?&#x2019; &#x2018;Ach,&#x2019; sprach die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0280] seine erwaͤhlte Braut ab zu holen. Wie Reginer mit der Botschaft an kam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter ‘was helfen nun all eure Kuͤnste, da ihr mir kein solches Gluͤck verschaffen koͤnnt.’ Da sagte die Alte ‘sey still, ich will dirs schon zuwenden;’ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren, unterwegs, rief der Kutscher ‘deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt, daß du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’ Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die Alte, ‘er hat gesagt du solltest dein guͤlden Kleid aus ziehen, und es deiner Schwester geben.’ Da zog sies aus, und thats der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; uͤber ein Weilchen rief der Bruder abermals ‘deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt, und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst.’ Die Braut fragte ‘was sagt mein lieber Bruder?’ ‘Ach,’ sprach die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/280
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/280>, abgerufen am 22.11.2024.