Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.meldeten sich zu dem Wagestück, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der König wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. 'Jch weiß selber nicht recht,' sprach er, 'aber ich hätte wohl Lust König zu werden, und auszumachen wo die Königstöchter ihre Schuhe vertanzen.' 'Das ist so schwer nicht,' sagte die Alte, 'du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als wärst du fest eingeschlafen.' Darauf gab sie ihm ein Mäntelchen, und sprach 'wenn du das umhängst, so bist du unsichtbar, und kannst den Zwölfen dann nachschleichen.' Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den König gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm königliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer geführt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die älteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hörten die zwölf Königstöchter, lachten, und die älteste sprach 'der hätte auch sein Leben sparen können.' Danach standen sie auf, öffneten Schränke, Kisten und Kasten, und holten prächtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum, und freuten sich auf den Tanz. Nur meldeten sich zu dem Wagestuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden, und auszumachen wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen, und sprach ‘wenn du das umhaͤngst, so bist du unsichtbar, und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den Koͤnig gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die aͤlteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteste sprach ‘der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen.’ Danach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum, und freuten sich auf den Tanz. Nur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0265" n="249"/> meldeten sich zu dem Wagestuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden, und auszumachen wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen, und sprach ‘wenn du das umhaͤngst, so bist du unsichtbar, und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den Koͤnig gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die aͤlteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteste sprach ‘der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen.’ Danach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum, und freuten sich auf den Tanz. Nur </p> </div> </body> </text> </TEI> [249/0265]
meldeten sich zu dem Wagestuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte, und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zugieng, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn wo er hin wollte. ‘Jch weiß selber nicht recht,’ sprach er, ‘aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden, und auszumachen wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzen.’ ‘Das ist so schwer nicht,’ sagte die Alte, ‘du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.’ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen, und sprach ‘wenn du das umhaͤngst, so bist du unsichtbar, und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faßte, vor den Koͤnig gieng, und sich als Freier meldete. Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette gehen wollte, kam die aͤlteste, und brachte ihm einen Becher Wein, aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden, und ließ den Wein da hineinlaufen, und trank keinen Tropfen. Dann legte er sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteste sprach ‘der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen.’ Danach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum, und freuten sich auf den Tanz. Nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |