Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.standen rund herum, und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebetlein her, das es wußte, 'Herr Gott, sey unser Gast zu aller Zeit, Amen;' und langte zu, und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte, 'Zicklein, meck, Tischlein weg.' Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. 'Das ist ein schöner Haushalt' dachte Zweiäuglein, und war ganz vergnügt und guter Dinge. Abends, als es mit seiner Ziege heim gekommen war, berührte es das irdene Schüsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht, und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus, und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf, und sprachen 'es ist nicht richtig mit dem Zweiäuglein, das läßt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde, das muß andere Wege gefunden haben.' Damit sie aber hinter die Wahrheit kämen, sollte Einäuglein mitgehen, wenn Zweiäuglein auf die Weide gieng, und sollte Acht haben was es da vor hätte, und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken brächte. standen rund herum, und waren noch warm, als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen. Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her, das es wußte, ‘Herr Gott, sey unser Gast zu aller Zeit, Amen;’ und langte zu, und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte, ‘Zicklein, meck, Tischlein weg.’ Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. ‘Das ist ein schoͤner Haushalt’ dachte Zweiaͤuglein, und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge. Abends, als es mit seiner Ziege heim gekommen war, beruͤhrte es das irdene Schuͤsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht, und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus, und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf, und sprachen ‘es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein, das laͤßt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde, das muß andere Wege gefunden haben.’ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen, sollte Einaͤuglein mitgehen, wenn Zweiaͤuglein auf die Weide gieng, und sollte Acht haben was es da vor haͤtte, und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0251" n="235"/> standen rund herum, und waren noch warm, als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen. Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her, das es wußte, ‘Herr Gott, sey unser Gast zu aller Zeit, Amen;’ und langte zu, und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte,</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Zicklein, meck,</l><lb/> <l>Tischlein weg.’</l><lb/> </lg> <p>Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. ‘Das ist ein schoͤner Haushalt’ dachte Zweiaͤuglein, und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge.</p><lb/> <p>Abends, als es mit seiner Ziege heim gekommen war, beruͤhrte es das irdene Schuͤsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht, und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus, und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf, und sprachen ‘es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein, das laͤßt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde, das muß andere Wege gefunden haben.’ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen, sollte Einaͤuglein mitgehen, wenn Zweiaͤuglein auf die Weide gieng, und sollte Acht haben was es da vor haͤtte, und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [235/0251]
standen rund herum, und waren noch warm, als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen. Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her, das es wußte, ‘Herr Gott, sey unser Gast zu aller Zeit, Amen;’ und langte zu, und ließ sichs wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte,
‘Zicklein, meck,
Tischlein weg.’
Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. ‘Das ist ein schoͤner Haushalt’ dachte Zweiaͤuglein, und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge.
Abends, als es mit seiner Ziege heim gekommen war, beruͤhrte es das irdene Schuͤsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, gar nicht, und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus, und ließ auch die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf, und sprachen ‘es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein, das laͤßt jedesmal das Essen stehen, und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde, das muß andere Wege gefunden haben.’ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen, sollte Einaͤuglein mitgehen, wenn Zweiaͤuglein auf die Weide gieng, und sollte Acht haben was es da vor haͤtte, und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte.
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/251>, abgerufen am 23.07.2024. |