Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.Vater verlangt hatte, alle fünfe, und zwar in einem Schuß. 'Nun kommt die Reihe an dich,' sprach der Vater zu dem vierten Sohn, 'du nähst die Eier wieder zusammen, und auch die jungen Vöglein, die darin sind, und zwar so, daß ihnen der Schuß nichts schadet.' Der Schneider holte seine Nadel, und nähte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen, und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen brütete sie vollens aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor, und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenäht, ein rothes Streifchen um den Hals. 'Ja,' sprach der Alte zu seinen Söhnen, 'ich muß gestehen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt, und was rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebührt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden.' Nicht lange danach kam ein großer Lärm ins Land, die Königstochter wäre von einem Drachen entführt worden. Der König war Tag und Nacht darüber in Sorgen, und ließ bekannt machen wer sie zurück brächte sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Brüder sprachen unter einander 'das wäre eine Gelegenheit, wo wir uns könnten sehen lassen,' und beschlossen die Königstochter zu befreien. 'Wo sie ist, will ich bald wissen' sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas, und sprach 'ich sehe sie, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen, der sie hütet.' Da gieng er zu dem König, und bat um ein Schiff für sich und seine Brüder, und fuhr mit ihnen Vater verlangt hatte, alle fuͤnfe, und zwar in einem Schuß. ‘Nun kommt die Reihe an dich,’ sprach der Vater zu dem vierten Sohn, ‘du naͤhst die Eier wieder zusammen, und auch die jungen Voͤglein, die darin sind, und zwar so, daß ihnen der Schuß nichts schadet.’ Der Schneider holte seine Nadel, und naͤhte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen, und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollens aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor, und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein rothes Streifchen um den Hals. ‘Ja,’ sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ‘ich muß gestehen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt, und was rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden.’ Nicht lange danach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤre von einem Drachen entfuͤhrt worden. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen, und ließ bekannt machen wer sie zuruͤck braͤchte sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Bruͤder sprachen unter einander ‘das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen,’ und beschlossen die Koͤnigstochter zu befreien. ‘Wo sie ist, will ich bald wissen’ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas, und sprach ‘ich sehe sie, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen, der sie huͤtet.’ Da gieng er zu dem Koͤnig, und bat um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder, und fuhr mit ihnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0246" n="230"/> Vater verlangt hatte, alle fuͤnfe, und zwar in einem Schuß. ‘Nun kommt die Reihe an dich,’ sprach der Vater zu dem vierten Sohn, ‘du naͤhst die Eier wieder zusammen, und auch die jungen Voͤglein, die darin sind, und zwar so, daß ihnen der Schuß nichts schadet.’ Der Schneider holte seine Nadel, und naͤhte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen, und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollens aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor, und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein rothes Streifchen um den Hals.</p><lb/> <p>‘Ja,’ sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ‘ich muß gestehen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt, und was rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden.’ Nicht lange danach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤre von einem Drachen entfuͤhrt worden. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen, und ließ bekannt machen wer sie zuruͤck braͤchte sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Bruͤder sprachen unter einander ‘das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen,’ und beschlossen die Koͤnigstochter zu befreien. ‘Wo sie ist, will ich bald wissen’ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas, und sprach ‘ich sehe sie, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen, der sie huͤtet.’ Da gieng er zu dem Koͤnig, und bat um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder, und fuhr mit ihnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0246]
Vater verlangt hatte, alle fuͤnfe, und zwar in einem Schuß. ‘Nun kommt die Reihe an dich,’ sprach der Vater zu dem vierten Sohn, ‘du naͤhst die Eier wieder zusammen, und auch die jungen Voͤglein, die darin sind, und zwar so, daß ihnen der Schuß nichts schadet.’ Der Schneider holte seine Nadel, und naͤhte nach Vorschrift. Als er fertig war, mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen, und dem Vogel, ohne daß er etwas gewahr ward, wieder unter legen. Das Thierchen bruͤtete sie vollens aus, und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor, und hatten da, wo der Schneider sie zusammengenaͤht, ein rothes Streifchen um den Hals.
‘Ja,’ sprach der Alte zu seinen Soͤhnen, ‘ich muß gestehen, ihr habt eure Zeit wohl benutzt, und was rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebuͤhrt. Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden.’ Nicht lange danach kam ein großer Laͤrm ins Land, die Koͤnigstochter waͤre von einem Drachen entfuͤhrt worden. Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen, und ließ bekannt machen wer sie zuruͤck braͤchte sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Bruͤder sprachen unter einander ‘das waͤre eine Gelegenheit, wo wir uns koͤnnten sehen lassen,’ und beschlossen die Koͤnigstochter zu befreien. ‘Wo sie ist, will ich bald wissen’ sprach der Sterngucker, schaute durch sein Glas, und sprach ‘ich sehe sie, sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen, der sie huͤtet.’ Da gieng er zu dem Koͤnig, und bat um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder, und fuhr mit ihnen
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/246>, abgerufen am 16.02.2025. |