Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.brauchst du dich nicht zu fürchten: ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand auf die Spur kommt.' Da ließ er sich überreden, und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb, und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wollte. 'Jch weiß es noch nicht,' antwortete er. 'So geh mit mir, und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, es bleibt einem nichts verborgen.' Er ließ sich das gefallen, und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte, und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab, und zu ihm sprach 'damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht, und kann dir nichts verborgen bleiben.' Den dritten Bruder nahm ein Jäger mit in die Lehre, und gab ihm in allem, was zur Jägerei gehörte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jäger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Büchse, und sprach 'die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.' Der jüngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete, und nach seinem Vorhaben fragte. 'Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?' 'Daß ich nicht wüßte,' sprach der Junge, 'das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel, und das Bügeleisen will mir nicht in den Sinn.' 'Ei was,' antwortete der Mann, 'du sprichst wie dus verstehst: bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist anständig brauchst du dich nicht zu fuͤrchten: ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand auf die Spur kommt.’ Da ließ er sich uͤberreden, und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb, und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wollte. ‘Jch weiß es noch nicht,’ antwortete er. ‘So geh mit mir, und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, es bleibt einem nichts verborgen.’ Er ließ sich das gefallen, und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte, und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab, und zu ihm sprach ‘damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht, und kann dir nichts verborgen bleiben.’ Den dritten Bruder nahm ein Jaͤger mit in die Lehre, und gab ihm in allem, was zur Jaͤgerei gehoͤrte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jaͤger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse, und sprach ‘die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.’ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete, und nach seinem Vorhaben fragte. ‘Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?’ ‘Daß ich nicht wuͤßte,’ sprach der Junge, ‘das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel, und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn.’ ‘Ei was,’ antwortete der Mann, ‘du sprichst wie dus verstehst: bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist anstaͤndig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0244" n="228"/> brauchst du dich nicht zu fuͤrchten: ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand auf die Spur kommt.’ Da ließ er sich uͤberreden, und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb, und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wollte. ‘Jch weiß es noch nicht,’ antwortete er. ‘So geh mit mir, und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, es bleibt einem nichts verborgen.’ Er ließ sich das gefallen, und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte, und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab, und zu ihm sprach ‘damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht, und kann dir nichts verborgen bleiben.’ Den dritten Bruder nahm ein Jaͤger mit in die Lehre, und gab ihm in allem, was zur Jaͤgerei gehoͤrte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jaͤger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse, und sprach ‘die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.’ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete, und nach seinem Vorhaben fragte. ‘Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?’ ‘Daß ich nicht wuͤßte,’ sprach der Junge, ‘das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel, und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn.’ ‘Ei was,’ antwortete der Mann, ‘du sprichst wie dus verstehst: bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist anstaͤndig </p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0244]
brauchst du dich nicht zu fuͤrchten: ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand auf die Spur kommt.’ Da ließ er sich uͤberreden, und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb, und so geschickt, daß vor ihm nichts sicher war, was er einmal haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, der dieselbe Frage an ihn that, was er in der Welt lernen wollte. ‘Jch weiß es noch nicht,’ antwortete er. ‘So geh mit mir, und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, es bleibt einem nichts verborgen.’ Er ließ sich das gefallen, und ward ein so geschickter Sterngucker, daß sein Meister, als er ausgelernt hatte, und weiter ziehen wollte, ihm ein Glas gab, und zu ihm sprach ‘damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht, und kann dir nichts verborgen bleiben.’ Den dritten Bruder nahm ein Jaͤger mit in die Lehre, und gab ihm in allem, was zur Jaͤgerei gehoͤrte, so guten Unterricht, daß er ein ausgelernter Jaͤger ward. Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse, und sprach ‘die fehlt nicht, was du damit aufs Korn nimmst, das triffst du auch.’ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der ihn anredete, und nach seinem Vorhaben fragte. ‘Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden?’ ‘Daß ich nicht wuͤßte,’ sprach der Junge, ‘das Krummsitzen von Morgens bis Abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel, und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn.’ ‘Ei was,’ antwortete der Mann, ‘du sprichst wie dus verstehst: bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist anstaͤndig
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/244>, abgerufen am 16.02.2025. |