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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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und Schwiegermutter, und die jungen Leute hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee, und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf, und blinkte oben an der Wand so hin und her, und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach 'ja, die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht!' Die Frau sprach 'ei, lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?' Er antwortete 'das darf ich dir nicht sagen.' Sie aber sprach 'wenn du mich lieb hast, mußt du mirs sagen,' und gab ihm die allerbesten Worte, es sollts kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzählte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen, und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen 'die klare Sonne wirds an den Tag bringen!' Nun hätts die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen, und hätt an der Wand geblinket, und Kringel gemacht, sie hätts aber nicht gekonnt. Danach bat er sie noch besonders, sie dürfte es niemand sagen, sonst käm er um sein Leben, das versprach sie auch; als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte, gieng sie zu ihrer Gevatterin, und erzählte es der, wenn sies keinem Menschen wieder sagen wollte; eh aber drei Tage vergiengen, wußt es die ganze Stadt, und der Schneider kam vor das Gericht, und er ward gerichtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.



und Schwiegermutter, und die jungen Leute hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee, und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf, und blinkte oben an der Wand so hin und her, und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach ‘ja, die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht!’ Die Frau sprach ‘ei, lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?’ Er antwortete ‘das darf ich dir nicht sagen.’ Sie aber sprach ‘wenn du mich lieb hast, mußt du mirs sagen,’ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollts kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen, und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen ‘die klare Sonne wirds an den Tag bringen!’ Nun haͤtts die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen, und haͤtt an der Wand geblinket, und Kringel gemacht, sie haͤtts aber nicht gekonnt. Danach bat er sie noch besonders, sie duͤrfte es niemand sagen, sonst kaͤm er um sein Leben, das versprach sie auch; als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte, gieng sie zu ihrer Gevatterin, und erzaͤhlte es der, wenn sies keinem Menschen wieder sagen wollte; eh aber drei Tage vergiengen, wußt es die ganze Stadt, und der Schneider kam vor das Gericht, und er ward gerichtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.



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[162/0178] und Schwiegermutter, und die jungen Leute hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee, und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf, und blinkte oben an der Wand so hin und her, und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach ‘ja, die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht!’ Die Frau sprach ‘ei, lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?’ Er antwortete ‘das darf ich dir nicht sagen.’ Sie aber sprach ‘wenn du mich lieb hast, mußt du mirs sagen,’ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollts kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen, und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen ‘die klare Sonne wirds an den Tag bringen!’ Nun haͤtts die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen, und haͤtt an der Wand geblinket, und Kringel gemacht, sie haͤtts aber nicht gekonnt. Danach bat er sie noch besonders, sie duͤrfte es niemand sagen, sonst kaͤm er um sein Leben, das versprach sie auch; als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte, gieng sie zu ihrer Gevatterin, und erzaͤhlte es der, wenn sies keinem Menschen wieder sagen wollte; eh aber drei Tage vergiengen, wußt es die ganze Stadt, und der Schneider kam vor das Gericht, und er ward gerichtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/178>, abgerufen am 24.11.2024.