Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
103.
Der süße Brei.

Es war einmal ein armes frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon, und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollt es sagen 'Töpfchen koch,' so kochte es guten süßen Hirsenbrei, und wenn es sagte 'Töpfchen steh,' so hörte es wieder auf zu kochen. Das Mädchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig, und aßen süßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter 'Töpfchen koch,' da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt über den Rand heraus, und kocht immer zu, die Küche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die größte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus übrig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur 'Töpfchen steh,' da steht es, und hört auf zu kochen; und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen müssen.



103.
Der suͤße Brei.

Es war einmal ein armes frommes Maͤdchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon, und schenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem sollt es sagen ‘Toͤpfchen koch,’ so kochte es guten suͤßen Hirsenbrei, und wenn es sagte ‘Toͤpfchen steh,’ so hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig, und aßen suͤßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da sprach die Mutter ‘Toͤpfchen koch,’ da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die groͤßte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur ‘Toͤpfchen steh,’ da steht es, und hoͤrt auf zu kochen; und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen muͤssen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0119" n="103"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">103.<lb/>
Der su&#x0364;ße Brei.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein armes frommes Ma&#x0364;dchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon, und schenkte ihm ein To&#x0364;pfchen, zu dem sollt es sagen &#x2018;To&#x0364;pfchen koch,&#x2019; so kochte es guten su&#x0364;ßen Hirsenbrei, und wenn es sagte &#x2018;To&#x0364;pfchen steh,&#x2019; so ho&#x0364;rte es wieder auf zu kochen. Das Ma&#x0364;dchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig, und aßen su&#x0364;ßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Ma&#x0364;dchen ausgegangen, da sprach die Mutter &#x2018;To&#x0364;pfchen koch,&#x2019; da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das To&#x0364;pfchen wieder aufho&#x0364;ren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt u&#x0364;ber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Ku&#x0364;che und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die gro&#x0364;ßte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus u&#x0364;brig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur &#x2018;To&#x0364;pfchen steh,&#x2019; da steht es, und ho&#x0364;rt auf zu kochen; und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen mu&#x0364;ssen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0119] 103. Der suͤße Brei. Es war einmal ein armes frommes Maͤdchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da gieng das Kind hinaus in den Wald, und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon, und schenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem sollt es sagen ‘Toͤpfchen koch,’ so kochte es guten suͤßen Hirsenbrei, und wenn es sagte ‘Toͤpfchen steh,’ so hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim, und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig, und aßen suͤßen Brei so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da sprach die Mutter ‘Toͤpfchen koch,’ da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollts die ganze Welt satt machen, und ist die groͤßte Noth, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist, da kommt das Kind heim, und spricht nur ‘Toͤpfchen steh,’ da steht es, und hoͤrt auf zu kochen; und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durchessen muͤssen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/119
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/119>, abgerufen am 27.11.2024.