Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser; sein Vater hieß ihn rufen: "Buben, wo seyd ihr?" und er zweifelte nicht mehr. - Jn einem Kinderlied kommt vor: die andere geht ans Brünnchen
und findt ein goldenes Kindchen. 2. Wenn die Kinder, die noch in der Wiege liegen, mit ihren Händchen spielen, darnach greifen, als hätten sie ein besonderes Wohlgefallen daran, so glaubt man, sie thäten es bloß darum, weil ihnen ihre Aermchen und Händchen ganz wie von Gold und glänzend vorkämen. - Lächeln sie im Schlaf, so reden die Engel mit ihnen. -- Wenn sie das Schluchsen bekommen, sagt man: "nun wächst ihnen das Herz." -- Fällt ein Kind, so sagt man: "da liegt ein Spielmann begraben!" Hungert es: "die Frösche murrten in seinem Leib" (stomachus latrat) wie Fischart anführt. Nach Schütze (holst. Jdiot.) pflegt man zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir den Magen weg. -- Will es nicht schlafen, so legt man ihm einen Schlafapfel, den moosartigen Auswuchs an der wilden Rose unter das Kissen; man glaubt, es erwache nicht eher, als bis er wieder weggenommen werde. (Stalder II. 321.) 3. Kinder gehen oft gefährliche Wege, über eine schmale Brücke oder die Balken unterm Dach, aus dem Brunnenrand, und doch begegnet ihnen kein Unglück; das macht, weil jedes Kind seinen Engel hat, der es bewahrt, hält und führt. Auch die Worte, die es reden soll, giebt er ihm in den Mund. So Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser; sein Vater hieß ihn rufen: „Buben, wo seyd ihr?“ und er zweifelte nicht mehr. - Jn einem Kinderlied kommt vor: die andere geht ans Bruͤnnchen
und findt ein goldenes Kindchen. 2. Wenn die Kinder, die noch in der Wiege liegen, mit ihren Haͤndchen spielen, darnach greifen, als haͤtten sie ein besonderes Wohlgefallen daran, so glaubt man, sie thaͤten es bloß darum, weil ihnen ihre Aermchen und Haͤndchen ganz wie von Gold und glaͤnzend vorkaͤmen. - Laͤcheln sie im Schlaf, so reden die Engel mit ihnen. — Wenn sie das Schluchsen bekommen, sagt man: „nun waͤchst ihnen das Herz.“ — Faͤllt ein Kind, so sagt man: „da liegt ein Spielmann begraben!“ Hungert es: „die Froͤsche murrten in seinem Leib“ (stomachus latrat) wie Fischart anfuͤhrt. Nach Schuͤtze (holst. Jdiot.) pflegt man zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir den Magen weg. — Will es nicht schlafen, so legt man ihm einen Schlafapfel, den moosartigen Auswuchs an der wilden Rose unter das Kissen; man glaubt, es erwache nicht eher, als bis er wieder weggenommen werde. (Stalder II. 321.) 3. Kinder gehen oft gefaͤhrliche Wege, uͤber eine schmale Bruͤcke oder die Balken unterm Dach, aus dem Brunnenrand, und doch begegnet ihnen kein Ungluͤck; das macht, weil jedes Kind seinen Engel hat, der es bewahrt, haͤlt und fuͤhrt. Auch die Worte, die es reden soll, giebt er ihm in den Mund. So <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0068" n="LXII"/> Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser; sein Vater hieß ihn rufen: „Buben, wo seyd ihr?“ und er zweifelte nicht mehr. - Jn einem Kinderlied kommt vor:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>die andere geht ans Bruͤnnchen</l><lb/> <l>und findt ein goldenes Kindchen.</l><lb/> </lg> <p>2. Wenn die Kinder, die noch in der Wiege liegen, mit ihren Haͤndchen spielen, darnach greifen, als haͤtten sie ein besonderes Wohlgefallen daran, so glaubt man, sie thaͤten es bloß darum, weil ihnen ihre Aermchen und Haͤndchen ganz wie von <hi rendition="#g">Gold und glaͤnzend vorkaͤmen</hi>. - <hi rendition="#g">Laͤcheln</hi> sie im Schlaf, so <hi rendition="#g">reden die Engel</hi> mit ihnen. — Wenn sie das Schluchsen bekommen, sagt man: „nun <hi rendition="#g">waͤchst</hi> ihnen <hi rendition="#g">das Herz</hi>.“ — Faͤllt ein Kind, so sagt man: „da liegt ein <hi rendition="#g">Spielmann</hi> begraben!“ Hungert es: „die Froͤsche murrten in seinem Leib“ (<hi rendition="#aq">stomachus latrat</hi>) wie Fischart anfuͤhrt. Nach Schuͤtze (holst. Jdiot.) pflegt man zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir den Magen weg. — Will es nicht schlafen, so legt man ihm einen <hi rendition="#g">Schlafapfel</hi>, den moosartigen Auswuchs an der wilden Rose unter das Kissen; man glaubt, es erwache nicht eher, als bis er wieder weggenommen werde. (Stalder <hi rendition="#aq">II.</hi> 321.)</p><lb/> <p>3. Kinder gehen oft gefaͤhrliche Wege, uͤber eine schmale Bruͤcke oder die Balken unterm Dach, aus dem Brunnenrand, und doch begegnet ihnen kein Ungluͤck; das macht, weil jedes Kind <hi rendition="#g">seinen Engel hat</hi>, der es bewahrt, haͤlt und fuͤhrt. Auch die Worte, die es reden soll, giebt er ihm in den Mund. So </p> </div> </front> </text> </TEI> [LXII/0068]
Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser; sein Vater hieß ihn rufen: „Buben, wo seyd ihr?“ und er zweifelte nicht mehr. - Jn einem Kinderlied kommt vor:
die andere geht ans Bruͤnnchen
und findt ein goldenes Kindchen.
2. Wenn die Kinder, die noch in der Wiege liegen, mit ihren Haͤndchen spielen, darnach greifen, als haͤtten sie ein besonderes Wohlgefallen daran, so glaubt man, sie thaͤten es bloß darum, weil ihnen ihre Aermchen und Haͤndchen ganz wie von Gold und glaͤnzend vorkaͤmen. - Laͤcheln sie im Schlaf, so reden die Engel mit ihnen. — Wenn sie das Schluchsen bekommen, sagt man: „nun waͤchst ihnen das Herz.“ — Faͤllt ein Kind, so sagt man: „da liegt ein Spielmann begraben!“ Hungert es: „die Froͤsche murrten in seinem Leib“ (stomachus latrat) wie Fischart anfuͤhrt. Nach Schuͤtze (holst. Jdiot.) pflegt man zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir den Magen weg. — Will es nicht schlafen, so legt man ihm einen Schlafapfel, den moosartigen Auswuchs an der wilden Rose unter das Kissen; man glaubt, es erwache nicht eher, als bis er wieder weggenommen werde. (Stalder II. 321.)
3. Kinder gehen oft gefaͤhrliche Wege, uͤber eine schmale Bruͤcke oder die Balken unterm Dach, aus dem Brunnenrand, und doch begegnet ihnen kein Ungluͤck; das macht, weil jedes Kind seinen Engel hat, der es bewahrt, haͤlt und fuͤhrt. Auch die Worte, die es reden soll, giebt er ihm in den Mund. So
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. LXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/68>, abgerufen am 27.07.2024. |