Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.hädde em deise Rause gieven un hädde em sägt, wenn de Rause upblöhet wär, dann wull et wier kummen. De Moder stellde dei Rause in't Water. Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde, de Moder gink to dem Bedde hen, un fund dat Kind daude (todt); et lag awerst ganz anmotik. Un de Rause was den sulftigen Morgen upblöhet. 4.
Armuth und Demuth führen zum Himmel. Es war einmal ein Königssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schön rein und blau, da seufzte er und sprach: "wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn!" Da erblickte er einen greisen, armen Mann, der des Weges daher kam und redete ihn an und fragte: "wie kann ich wohl in den Himmel kommen?" Der Mann antwortete: "durch Armuth und Demuth! Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen; nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst bitte mitleidige Herzen um ein Stückchen Brot, so wirst du dich dem Himmel nähern." Da zog der Königssohn seinen prächtigen Rock aus und hing dafür das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wolle. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er haͤdde em deise Rause gieven un haͤdde em saͤgt, wenn de Rause upbloͤhet waͤr, dann wull et wier kummen. De Moder stellde dei Rause in’t Water. Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde, de Moder gink to dem Bedde hen, un fund dat Kind daude (todt); et lag awerst ganz anmotik. Un de Rause was den sulftigen Morgen upbloͤhet. 4.
Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel. Es war einmal ein Koͤnigssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schoͤn rein und blau, da seufzte er und sprach: „wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn!“ Da erblickte er einen greisen, armen Mann, der des Weges daher kam und redete ihn an und fragte: „wie kann ich wohl in den Himmel kommen?“ Der Mann antwortete: „durch Armuth und Demuth! Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen; nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst bitte mitleidige Herzen um ein Stuͤckchen Brot, so wirst du dich dem Himmel naͤhern.“ Da zog der Koͤnigssohn seinen praͤchtigen Rock aus und hing dafuͤr das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wolle. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0373" n="295"/> haͤdde em deise Rause gieven un haͤdde em saͤgt, wenn de Rause upbloͤhet waͤr, dann wull et wier kummen. De Moder stellde dei Rause in’t Water. Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde, de Moder gink to dem Bedde hen, un fund dat Kind daude (todt); et lag awerst ganz anmotik. Un de Rause was den sulftigen Morgen upbloͤhet.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">4.<lb/> Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel.</hi> </head><lb/> <p>Es war einmal ein Koͤnigssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schoͤn rein und blau, da seufzte er und sprach: „wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn!“ Da erblickte er einen greisen, armen Mann, der des Weges daher kam und redete ihn an und fragte: „wie kann ich wohl in den Himmel kommen?“ Der Mann antwortete: „durch Armuth und Demuth! Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen; nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst bitte mitleidige Herzen um ein Stuͤckchen Brot, so wirst du dich dem Himmel naͤhern.“ Da zog der Koͤnigssohn seinen praͤchtigen Rock aus und hing dafuͤr das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wolle. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0373]
haͤdde em deise Rause gieven un haͤdde em saͤgt, wenn de Rause upbloͤhet waͤr, dann wull et wier kummen. De Moder stellde dei Rause in’t Water. Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde, de Moder gink to dem Bedde hen, un fund dat Kind daude (todt); et lag awerst ganz anmotik. Un de Rause was den sulftigen Morgen upbloͤhet.
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Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel.
Es war einmal ein Koͤnigssohn, der ging hinaus in das Feld und war nachdenklich und traurig. Er sah den Himmel an, der war so schoͤn rein und blau, da seufzte er und sprach: „wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn!“ Da erblickte er einen greisen, armen Mann, der des Weges daher kam und redete ihn an und fragte: „wie kann ich wohl in den Himmel kommen?“ Der Mann antwortete: „durch Armuth und Demuth! Leg an meine zerrissenen Kleider, wandere sieben Jahre in der Welt und lerne ihr Elend kennen; nimm kein Geld, sondern wenn du hungerst bitte mitleidige Herzen um ein Stuͤckchen Brot, so wirst du dich dem Himmel naͤhern.“ Da zog der Koͤnigssohn seinen praͤchtigen Rock aus und hing dafuͤr das Bettlergewand um, ging hinaus in die weite Welt und duldete groß Elend. Er nahm nichts als ein wenig Essen, sprach nichts, sondern betete zu dem Herrn, daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wolle. Als die sieben Jahre herum waren, da kam er
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/373>, abgerufen am 16.02.2025. |