Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.Kammer gehe. "Jch habe es nicht gesehen, antwortete er, und wüßte auch nicht, wem es gehören könnte." Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammerthüre, öffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wühlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzählte er, was er gesehen und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: "ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist." Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht, dafür kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielenritzen versteckt und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden. 155.
Die Brautschau. Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen und kannte drei Schwestern, davon war eine so schön wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde und er sich nicht entschließen Kammer gehe. „Jch habe es nicht gesehen, antwortete er, und wuͤßte auch nicht, wem es gehoͤren koͤnnte.“ Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammerthuͤre, oͤffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzaͤhlte er, was er gesehen und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielenritzen versteckt und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden. 155.
Die Brautschau. Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen und kannte drei Schwestern, davon war eine so schoͤn wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde und er sich nicht entschließen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0356" n="278"/> Kammer gehe. „Jch habe es nicht gesehen, antwortete er, und wuͤßte auch nicht, wem es gehoͤren koͤnnte.“ Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammerthuͤre, oͤffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzaͤhlte er, was er gesehen und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielenritzen versteckt und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">155.<lb/> Die Brautschau.</hi> </head><lb/> <p>Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen und kannte drei Schwestern, davon war eine so schoͤn wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde und er sich nicht entschließen </p> </div> </body> </text> </TEI> [278/0356]
Kammer gehe. „Jch habe es nicht gesehen, antwortete er, und wuͤßte auch nicht, wem es gehoͤren koͤnnte.“ Am andern Tage, wie es wieder kam, zeigte es der Fremde dem Vater, der sah es aber nicht und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Nun stand der Fremde auf, ging zur Kammerthuͤre, oͤffnete sie ein wenig und schaute hinein. Da sah er das Kind auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen; wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Nun erzaͤhlte er, was er gesehen und beschrieb das Kind genau, da erkannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestorben ist.“ Sie brachen die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten, um sie einem armen Manne zu geben, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielenritzen versteckt und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen. Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden.
155.
Die Brautschau.
Es war ein junger Hirte, der wollte gern heirathen und kannte drei Schwestern, davon war eine so schoͤn wie die andere, daß ihm die Wahl schwer wurde und er sich nicht entschließen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |