Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: "ich will mich schon rächen." -- Nach einiger Zeit hielt das Mädchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug über das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Brücke und kein Steg darüber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spöttisch: "ei! wo hast du deine Augen, daß du das für ein Wasser hältst." Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaublühenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelächter fort.

150.
Die alte Bettelfrau.

Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: "Gott lohn' euch!" Die Bettelfrau kam an eine Thür, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und wärmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thür stand und zitterte: "kommt Altmutter und erwärmt euch." Sie kam herzu; sie ging aber zu nahe ans Feuer steh'n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward's nicht gewahr. Der Junge stand

und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: „ich will mich schon raͤchen.“ — Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg daruͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spoͤttisch: „ei! wo hast du deine Augen, daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst.“ Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort.

150.
Die alte Bettelfrau.

Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: „Gott lohn’ euch!“ Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und waͤrmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thuͤr stand und zitterte: „kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie kam herzu; sie ging aber zu nahe ans Feuer steh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward’s nicht gewahr. Der Junge stand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0351" n="273"/>
und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: &#x201E;ich will mich schon ra&#x0364;chen.&#x201C; &#x2014; Nach einiger Zeit hielt das Ma&#x0364;dchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug u&#x0364;ber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bru&#x0364;cke und kein Steg daru&#x0364;ber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spo&#x0364;ttisch: &#x201E;ei! wo hast du deine Augen, daß du das fu&#x0364;r ein Wasser ha&#x0364;ltst.&#x201C; Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaublu&#x0364;henden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gela&#x0364;chter fort.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">150.<lb/>
Die alte Bettelfrau.</hi> </head><lb/>
        <p>Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: &#x201E;Gott lohn&#x2019; euch!&#x201C; Die Bettelfrau kam an eine Thu&#x0364;r, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und wa&#x0364;rmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thu&#x0364;r stand und zitterte: &#x201E;kommt Altmutter und erwa&#x0364;rmt euch.&#x201C; Sie kam herzu; sie ging aber zu nahe ans Feuer steh&#x2019;n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward&#x2019;s nicht gewahr. Der Junge stand
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0351] und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: „ich will mich schon raͤchen.“ — Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg daruͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann, und das war der Zauberer, neben ihr ganz spoͤttisch: „ei! wo hast du deine Augen, daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst.“ Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachsfeld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort. 150. Die alte Bettelfrau. Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: „Gott lohn’ euch!“ Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und waͤrmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thuͤr stand und zitterte: „kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie kam herzu; sie ging aber zu nahe ans Feuer steh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward’s nicht gewahr. Der Junge stand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/351
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/351>, abgerufen am 22.11.2024.