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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

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schlich er sich hinein, und wie er zum Bett kam, sah er im Mondschein einen stolzen Jüngling da ruhen, und die Haut lag abgestreift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrannt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen würde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Jüngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Morgenschein, stand er auf und wollte die Eselshaut anziehen, aber sie war nicht zu finden. Da erschrak er und sprach voll Trauer und Angst: "nun muß ich sehen, daß ich entfliehe." Wie er hinaustrat, stand aber der König da und sprach: "ei! mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier; du bist ein so schöner Mann, du sollst nicht wieder von mir; ich geb' dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz." "So wünsch ich dem guten Anfang auch ein gutes Ende," sprach der Jüngling, "ich bleibe bei euch." Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte reich und vergnügt.

145.
Der undankbare Sohn.

Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthür, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen verzehren, da sah der Mann, wie sein alter Vater daher

schlich er sich hinein, und wie er zum Bett kam, sah er im Mondschein einen stolzen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abgestreift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrannt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Morgenschein, stand er auf und wollte die Eselshaut anziehen, aber sie war nicht zu finden. Da erschrak er und sprach voll Trauer und Angst: „nun muß ich sehen, daß ich entfliehe.“ Wie er hinaustrat, stand aber der Koͤnig da und sprach: „ei! mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier; du bist ein so schoͤner Mann, du sollst nicht wieder von mir; ich geb’ dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz.“ „So wuͤnsch ich dem guten Anfang auch ein gutes Ende,“ sprach der Juͤngling, „ich bleibe bei euch.“ Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte reich und vergnuͤgt.

145.
Der undankbare Sohn.

Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen verzehren, da sah der Mann, wie sein alter Vater daher

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[264/0342] schlich er sich hinein, und wie er zum Bett kam, sah er im Mondschein einen stolzen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abgestreift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrannt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Morgenschein, stand er auf und wollte die Eselshaut anziehen, aber sie war nicht zu finden. Da erschrak er und sprach voll Trauer und Angst: „nun muß ich sehen, daß ich entfliehe.“ Wie er hinaustrat, stand aber der Koͤnig da und sprach: „ei! mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier; du bist ein so schoͤner Mann, du sollst nicht wieder von mir; ich geb’ dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz.“ „So wuͤnsch ich dem guten Anfang auch ein gutes Ende,“ sprach der Juͤngling, „ich bleibe bei euch.“ Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu, und lebte reich und vergnuͤgt. 145. Der undankbare Sohn. Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen verzehren, da sah der Mann, wie sein alter Vater daher

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/342>, abgerufen am 25.11.2024.