Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.groß Wasser, worin die Kriegsvölker stecken blieben und ertranken. Als sie nicht zurückkamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reiter, aber der Horcher hörte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, da sprangen sie aus einander wie Glas. Nun fuhren sie ungestört weiter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied und sprachen: "wir wollen weiter unser Glück in der Welt versuchen." Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem hütete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach er zu seiner Frau: "weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Königssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Heerde dort, das ist mein Vater, und nun müssen wir zwei auch daran und ihm helfen hüten." Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut' Nacht sollten sie ihr die königlichen Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein Paar alte wollene Strümpfe, und that noch, als wärs ein großes Geschenk und sprach: "wenn nicht euer Mann wäre, hätte ich's euch gar nicht gegeben." Da glaubte sie, er sey wirklich ein Schweinehirt, und hütete mit ihm die Heerde, und sprach: "ich habe es verdient mit meinem Stolz." Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Füße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wüßte, wer ihr Mann wäre? "Ja, antwortete sie, ein Schweinehirt, er ist groß Wasser, worin die Kriegsvoͤlker stecken blieben und ertranken. Als sie nicht zuruͤckkamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reiter, aber der Horcher hoͤrte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, da sprangen sie aus einander wie Glas. Nun fuhren sie ungestoͤrt weiter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied und sprachen: „wir wollen weiter unser Gluͤck in der Welt versuchen.“ Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach er zu seiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Koͤnigssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Heerde dort, das ist mein Vater, und nun muͤssen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten.“ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut’ Nacht sollten sie ihr die koͤniglichen Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein Paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geschenk und sprach: „wenn nicht euer Mann waͤre, haͤtte ich’s euch gar nicht gegeben.“ Da glaubte sie, er sey wirklich ein Schweinehirt, und huͤtete mit ihm die Heerde, und sprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? „Ja, antwortete sie, ein Schweinehirt, er ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0316" n="238"/> groß Wasser, worin die Kriegsvoͤlker stecken blieben und ertranken. Als sie nicht zuruͤckkamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reiter, aber der Horcher hoͤrte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, da sprangen sie aus einander wie Glas. 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Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein Paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geschenk und sprach: „wenn nicht euer Mann waͤre, haͤtte ich’s euch gar nicht gegeben.“ Da glaubte sie, er sey wirklich ein Schweinehirt, und huͤtete mit ihm die Heerde, und sprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? „Ja, antwortete sie, ein Schweinehirt, er ist </p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0316]
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Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach er zu seiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Koͤnigssohn, sondern ein Schweinehirt, und der mit der Heerde dort, das ist mein Vater, und nun muͤssen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten.“ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut’ Nacht sollten sie ihr die koͤniglichen Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein Paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geschenk und sprach: „wenn nicht euer Mann waͤre, haͤtte ich’s euch gar nicht gegeben.“ Da glaubte sie, er sey wirklich ein Schweinehirt, und huͤtete mit ihm die Heerde, und sprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? „Ja, antwortete sie, ein Schweinehirt, er ist
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/316>, abgerufen am 16.02.2025. |