Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite
"Zicklein, meck!
Tischlein deck!"

aß und trank nach Herzenslust und hieß dann dem Tischlein wieder fortgehen:

"Zicklein meck!
Tischlein weg!"

und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm und weckte es und sprach: "ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen! du kannst gut hüten! Komm wir wollen heim gehen," und als sie nach Haus kamen, aß Zweiäuglein wieder nicht und Dreiäuglein sprach zur Mutter: "ich weiß nun, warum das hochmüthige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht:

"Zicklein, meck!
Tischlein deck!"

so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wirs hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie:

"Zicklein, meck!
Tischlein weg!"

und alles ist wieder verschwunden. Jch hab es genau mit angesehen; zwei Augen hatte sie mir mit einem Sprüchlein eingeschläfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Glück wach geblieben." Da rief die Mutter zornig: "willst du's besser haben, als wir! die Lust soll dir vergehen!" Und holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.


„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“

aß und trank nach Herzenslust und hieß dann dem Tischlein wieder fortgehen:

„Zicklein meck!
Tischlein weg!“

und Dreiaͤuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiaͤuglein zu ihm und weckte es und sprach: „ei, Dreiaͤuglein, bist du eingeschlafen! du kannst gut huͤten! Komm wir wollen heim gehen,“ und als sie nach Haus kamen, aß Zweiaͤuglein wieder nicht und Dreiaͤuglein sprach zur Mutter: „ich weiß nun, warum das hochmuͤthige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht:

„Zicklein, meck!
Tischlein deck!“

so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wirs hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie:

„Zicklein, meck!
Tischlein weg!“

und alles ist wieder verschwunden. Jch hab es genau mit angesehen; zwei Augen hatte sie mir mit einem Spruͤchlein eingeschlaͤfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Gluͤck wach geblieben.“ Da rief die Mutter zornig: „willst du’s besser haben, als wir! die Lust soll dir vergehen!“ Und holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0295" n="217"/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Zicklein, meck!</l><lb/>
          <l>Tischlein deck!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>aß und trank nach Herzenslust und hieß dann dem Tischlein wieder fortgehen:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Zicklein meck!</l><lb/>
          <l>Tischlein weg!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>und Dreia&#x0364;uglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweia&#x0364;uglein zu ihm und weckte es und sprach: &#x201E;ei, Dreia&#x0364;uglein, bist du eingeschlafen! du kannst gut hu&#x0364;ten! Komm wir wollen heim gehen,&#x201C; und als sie nach Haus kamen, aß Zweia&#x0364;uglein wieder nicht und Dreia&#x0364;uglein sprach zur Mutter: &#x201E;ich weiß nun, warum das hochmu&#x0364;thige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Zicklein, meck!</l><lb/>
          <l>Tischlein deck!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wirs hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Zicklein, meck!</l><lb/>
          <l>Tischlein weg!&#x201C;</l><lb/>
        </lg>
        <p>und alles ist wieder verschwunden. Jch hab es genau mit angesehen; zwei Augen hatte sie mir mit einem Spru&#x0364;chlein eingeschla&#x0364;fert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Glu&#x0364;ck wach geblieben.&#x201C; Da rief die Mutter zornig: &#x201E;willst du&#x2019;s besser haben, als wir! die Lust soll dir vergehen!&#x201C; Und holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0295] „Zicklein, meck! Tischlein deck!“ aß und trank nach Herzenslust und hieß dann dem Tischlein wieder fortgehen: „Zicklein meck! Tischlein weg!“ und Dreiaͤuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiaͤuglein zu ihm und weckte es und sprach: „ei, Dreiaͤuglein, bist du eingeschlafen! du kannst gut huͤten! Komm wir wollen heim gehen,“ und als sie nach Haus kamen, aß Zweiaͤuglein wieder nicht und Dreiaͤuglein sprach zur Mutter: „ich weiß nun, warum das hochmuͤthige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht: „Zicklein, meck! Tischlein deck!“ so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wirs hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie: „Zicklein, meck! Tischlein weg!“ und alles ist wieder verschwunden. Jch hab es genau mit angesehen; zwei Augen hatte sie mir mit einem Spruͤchlein eingeschlaͤfert, aber das eine auf der Stirne, das war zum Gluͤck wach geblieben.“ Da rief die Mutter zornig: „willst du’s besser haben, als wir! die Lust soll dir vergehen!“ Und holte ein Schlachtmesser und stieß es der Ziege ins Herz, daß sie todt hinfiel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/295
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/295>, abgerufen am 22.11.2024.