Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.118.
Die drei Feldscherer. Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her wären und hinaus wollten? "Sie zögen auf ihre Kunst in der Welt herum." -- "Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr könnt." Sprach der erste: er wollte seine Hand abschneiden und morgen früh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen früh wieder anheilen; der dritte sprach: er wollte seine Augen ausstechen und morgen früh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Fläschchen, wo sie drin war, trugen sie beständig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legten's zusammen auf einen Teller und gaben's dem Wirth, der Wirth gab's einem Mädchen, das sollt's in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Mädchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Mädchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und über der großen Liebe vergaß es die Schrankthüre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnügt saß und an kein Unglück dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen 118.
Die drei Feldscherer. Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her waͤren und hinaus wollten? „Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.“ — „Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt.“ Sprach der erste: er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach: er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legten’s zusammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das sollt’s in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß und an kein Ungluͤck dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0231" n="153"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">118.<lb/> Die drei Feldscherer.</hi> </head><lb/> <p>Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her waͤren und hinaus wollten? „Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.“ — „Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt.“ Sprach der erste: er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach: er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legten’s zusammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das sollt’s in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß und an kein Ungluͤck dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen </p> </div> </body> </text> </TEI> [153/0231]
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Die drei Feldscherer.
Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her waͤren und hinaus wollten? „Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.“ — „Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt.“ Sprach der erste: er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach: er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie gesagt hatten, legten’s zusammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das sollt’s in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß und an kein Ungluͤck dachte, kam die Katze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/231>, abgerufen am 22.02.2025. |