Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen)." Da holte es, als hätt' es keine Sorgen, Welsche-Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Bär das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, er konnt' aber nichts aufbeißen, er mogte drücken wie er wollte. "Ei, dachte er, was bist du für ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen" und sprach zum Schneiderlein: "mein, beiß mir die Nüsse auf." "Da siehst du was du für ein Kerl bist, sprach das Schneiderlein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen." Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. "Jch muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Bär, wenn ich's so ansehe, ich mein', ich müßt's können." Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein; Gott geb, er hätte sie aufgebracht! Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär das hörte, konnt' er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: "hör, ist das Geigen schwer?" "Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!" " Willst du mir's lehren? sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen).“ Da holte es, als haͤtt’ es keine Sorgen, Welsche-Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, sondern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, er konnt’ aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. „Ei, dachte er, was bist du fuͤr ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein: „mein, beiß mir die Nuͤsse auf.“ „Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist, sprach das Schneiderlein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Jch muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Baͤr, wenn ich’s so ansehe, ich mein’, ich muͤßt’s koͤnnen.“ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte sie aufgebracht! Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt’ er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: „hoͤr, ist das Geigen schwer?“ „Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!“ „ Willst du mir’s lehren? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0222" n="144"/> sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen).“ Da holte es, als haͤtt’ es keine Sorgen, Welsche-Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, sondern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, er konnt’ aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. „Ei, dachte er, was bist du fuͤr ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein: „mein, beiß mir die Nuͤsse auf.“ „Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist, sprach das Schneiderlein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Jch muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Baͤr, wenn ich’s so ansehe, ich mein’, ich muͤßt’s koͤnnen.“ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte sie aufgebracht! Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt’ er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: „hoͤr, ist das Geigen schwer?“ „Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!“ „ Willst du mir’s lehren? </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0222]
sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen).“ Da holte es, als haͤtt’ es keine Sorgen, Welsche-Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, sondern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, er konnt’ aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. „Ei, dachte er, was bist du fuͤr ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein: „mein, beiß mir die Nuͤsse auf.“ „Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist, sprach das Schneiderlein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Jch muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Baͤr, wenn ich’s so ansehe, ich mein’, ich muͤßt’s koͤnnen.“ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine, und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte sie aufgebracht! Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt’ er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: „hoͤr, ist das Geigen schwer?“ „Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!“ „ Willst du mir’s lehren?
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/222>, abgerufen am 27.07.2024. |