nicht außer dem Weg. Und wie sie so daher kam, sagte der König, sie hätte das Räthsel getroffen und sey alles erfüllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefängniß und nahm sie bei sich als seine Gemahlin und befahl ihr das ganze könig- liche Gut an.
Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr König einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och- sen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun- ges Füllchen, das lief weg und legte sich an ei- nen Wagen, wo zwei Ochsen davor waren, mit- tendrein. Als nun die Bauern zusammen kamen, fingen sie an sich zu zanken, schmeißen und lär- men und der Ochsenbauer wollte das Füllchen be- halten und sagte, die Ochsen hätten's gehabt, und der andere sagte, nein, seine Pferde hätten's ge- habt und es wär' sein. Der Zank kam vor den König und der that den Ausspruch: wo das Fül- len gelegen hätte, da sollt' es bleiben und also be- kam's der Ochsenbauer, dem's doch nicht gehörte. Da ging der andere weg, weinte und lamentirte über sein Füllchen; nun so hatte er gehört, wie daß die Frau Königin so gnädig sey, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen wäre, ging zu ihr und bat sie, ob sie ihm nicht helfen könnte,
Kindermährchen. II. E
nicht außer dem Weg. Und wie ſie ſo daher kam, ſagte der Koͤnig, ſie haͤtte das Raͤthſel getroffen und ſey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngniß und nahm ſie bei ſich als ſeine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnig- liche Gut an.
Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es ſich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och- ſen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun- ges Fuͤllchen, das lief weg und legte ſich an ei- nen Wagen, wo zwei Ochſen davor waren, mit- tendrein. Als nun die Bauern zuſammen kamen, fingen ſie an ſich zu zanken, ſchmeißen und laͤr- men und der Ochſenbauer wollte das Fuͤllchen be- halten und ſagte, die Ochſen haͤtten’s gehabt, und der andere ſagte, nein, ſeine Pferde haͤtten’s ge- habt und es waͤr’ ſein. Der Zank kam vor den Koͤnig und der that den Ausſpruch: wo das Fuͤl- len gelegen haͤtte, da ſollt’ es bleiben und alſo be- kam’s der Ochſenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte. Da ging der andere weg, weinte und lamentirte uͤber ſein Fuͤllchen; nun ſo hatte er gehoͤrt, wie daß die Frau Koͤnigin ſo gnaͤdig ſey, weil ſie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging zu ihr und bat ſie, ob ſie ihm nicht helfen koͤnnte,
Kindermaͤhrchen. II. E
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0086"n="65"/>
nicht außer dem Weg. Und wie ſie ſo daher kam,<lb/>ſagte der Koͤnig, ſie haͤtte das Raͤthſel getroffen<lb/>
und ſey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los<lb/>
aus dem Gefaͤngniß und nahm ſie bei ſich als<lb/>ſeine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnig-<lb/>
liche Gut an.</p><lb/><p>Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr<lb/>
Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es ſich<lb/>
zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß<lb/>
hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och-<lb/>ſen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer,<lb/>
der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun-<lb/>
ges Fuͤllchen, das lief weg und legte ſich an ei-<lb/>
nen Wagen, wo zwei Ochſen davor waren, mit-<lb/>
tendrein. Als nun die Bauern zuſammen kamen,<lb/>
fingen ſie an ſich zu zanken, ſchmeißen und laͤr-<lb/>
men und der Ochſenbauer wollte das Fuͤllchen be-<lb/>
halten und ſagte, die Ochſen haͤtten’s gehabt, und<lb/>
der andere ſagte, nein, ſeine Pferde haͤtten’s ge-<lb/>
habt und es waͤr’ſein. Der Zank kam vor den<lb/>
Koͤnig und der that den Ausſpruch: wo das Fuͤl-<lb/>
len gelegen haͤtte, da ſollt’ es bleiben und alſo be-<lb/>
kam’s der Ochſenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte.<lb/>
Da ging der andere weg, weinte und lamentirte<lb/>
uͤber ſein Fuͤllchen; nun ſo hatte er gehoͤrt, wie<lb/>
daß die Frau Koͤnigin ſo gnaͤdig ſey, weil ſie auch<lb/>
von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging<lb/>
zu ihr und bat ſie, ob ſie ihm nicht helfen koͤnnte,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Kindermaͤhrchen. <hirendition="#aq">II.</hi> E</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[65/0086]
nicht außer dem Weg. Und wie ſie ſo daher kam,
ſagte der Koͤnig, ſie haͤtte das Raͤthſel getroffen
und ſey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los
aus dem Gefaͤngniß und nahm ſie bei ſich als
ſeine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnig-
liche Gut an.
Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr
Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es ſich
zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß
hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och-
ſen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer,
der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun-
ges Fuͤllchen, das lief weg und legte ſich an ei-
nen Wagen, wo zwei Ochſen davor waren, mit-
tendrein. Als nun die Bauern zuſammen kamen,
fingen ſie an ſich zu zanken, ſchmeißen und laͤr-
men und der Ochſenbauer wollte das Fuͤllchen be-
halten und ſagte, die Ochſen haͤtten’s gehabt, und
der andere ſagte, nein, ſeine Pferde haͤtten’s ge-
habt und es waͤr’ ſein. Der Zank kam vor den
Koͤnig und der that den Ausſpruch: wo das Fuͤl-
len gelegen haͤtte, da ſollt’ es bleiben und alſo be-
kam’s der Ochſenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte.
Da ging der andere weg, weinte und lamentirte
uͤber ſein Fuͤllchen; nun ſo hatte er gehoͤrt, wie
daß die Frau Koͤnigin ſo gnaͤdig ſey, weil ſie auch
von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging
zu ihr und bat ſie, ob ſie ihm nicht helfen koͤnnte,
Kindermaͤhrchen. II. E
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/86>, abgerufen am 19.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.