Neigt sich wie Nr. I. 81. I, 3. Il. 1. II. 35. aus der heil. Legende ins Märchen. Vergl. Strobl ovum paschale p. 216. 217. und Benign. Kybl Wunder- spiegel I. 505. über die letzte Spielmannsbitte s. Nr. 24. den Jud im Dorn. Man hat mehr als eine Sa- ge von Heiligenbildern, die aus Gnade einen Finger der Hand ausstrecken, um den Ring daraus fallen zu lassen. Der heil. Sebald zu Nürnberg, als ein fre- cher Gesell sein Bild am Bart zupfte und sprach: Alter, wie schmeckt dir der Most? regte die Hand und gab ihm eine Ohrfeige, daß die fünf Finger auf der Wange unvertilgliche Spuren drückten. (Wagen- seil. de civit. Norimberg. Altdorf 1697. 4. p. 37 -- 57.) S. auch de beiden Künigeskinner (Nr. 27.) wo der steinerne Mann mit dem Kopf nickt.
67. Schlauraffenland.
Die Fabel vom Affen- oder Schlauraf- fenland (die schlauen, klugen sind den dummen Affen, apar osvinnir, mythischer Gegensatz) steigt ohne Frage in ein hohes Alter auf, da schon das ge- genwärtige Märchen aus einem altdeutschen Gedicht des 13 Jahrhunderts herrührt. Bald wird sie spaß- haft, wie hier und meistentheils, gewendet, aber im Märchen von dem Zuckerhäuschen, das mit Fladen gedeckt, mit Zimmt gebalkt ist, (I. 16) erscheint sie in gläubigem Kinderernst gleichwohl dieselbe und schließt sich an die noch tieferen Mythen von dem verlorenen Paradies der Unschuld, worin Milch und Honig strömen. Zu der ersten Art blos gehört Hans Sachsens bekannter Schwank (s. Häsleins Auszug S. 391.) und Fischarts Anspielung im Gargantua S. 96a "in dem Land kann ich nicht mehr bleiben, die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil hinter Weihnacht, da sind die Lebkuchenwände, Schweinebratenbalken, Malvasirbrunnen, Milchram-
Kindermärchen II. D
66. Die heilige Frau Kummerniß.
Neigt ſich wie Nr. I. 81. I, 3. Il. 1. II. 35. aus der heil. Legende ins Maͤrchen. Vergl. Strobl ovum paschale p. 216. 217. und Benign. Kybl Wunder- ſpiegel I. 505. uͤber die letzte Spielmannsbitte ſ. Nr. 24. den Jud im Dorn. Man hat mehr als eine Sa- ge von Heiligenbildern, die aus Gnade einen Finger der Hand ausſtrecken, um den Ring daraus fallen zu laſſen. Der heil. Sebald zu Nuͤrnberg, als ein fre- cher Geſell ſein Bild am Bart zupfte und ſprach: Alter, wie ſchmeckt dir der Moſt? regte die Hand und gab ihm eine Ohrfeige, daß die fuͤnf Finger auf der Wange unvertilgliche Spuren druͤckten. (Wagen- seil. de civit. Norimberg. Altdorf 1697. 4. p. 37 — 57.) S. auch de beiden Kuͤnigeskinner (Nr. 27.) wo der ſteinerne Mann mit dem Kopf nickt.
67. Schlauraffenland.
Die Fabel vom Affen- oder Schlauraf- fenland (die ſchlauen, klugen ſind den dummen Affen, apar ósvinnir, mythiſcher Gegenſatz) ſteigt ohne Frage in ein hohes Alter auf, da ſchon das ge- genwaͤrtige Maͤrchen aus einem altdeutſchen Gedicht des 13 Jahrhunderts herruͤhrt. Bald wird ſie ſpaß- haft, wie hier und meiſtentheils, gewendet, aber im Maͤrchen von dem Zuckerhaͤuschen, das mit Fladen gedeckt, mit Zimmt gebalkt iſt, (I. 16) erſcheint ſie in glaͤubigem Kinderernſt gleichwohl dieſelbe und ſchließt ſich an die noch tieferen Mythen von dem verlorenen Paradies der Unſchuld, worin Milch und Honig ſtroͤmen. Zu der erſten Art blos gehoͤrt Hans Sachſens bekannter Schwank (ſ. Haͤsleins Auszug S. 391.) und Fiſcharts Anſpielung im Gargantua S. 96a „in dem Land kann ich nicht mehr bleiben, die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil hinter Weihnacht, da ſind die Lebkuchenwaͤnde, Schweinebratenbalken, Malvaſirbrunnen, Milchram-
Kindermärchen II. D
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[XXXXIX[XLIX]/0368]
66.
Die heilige Frau Kummerniß.
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paschale p. 216. 217. und Benign. Kybl Wunder-
ſpiegel I. 505. uͤber die letzte Spielmannsbitte ſ. Nr.
24. den Jud im Dorn. Man hat mehr als eine Sa-
ge von Heiligenbildern, die aus Gnade einen Finger
der Hand ausſtrecken, um den Ring daraus fallen zu
laſſen. Der heil. Sebald zu Nuͤrnberg, als ein fre-
cher Geſell ſein Bild am Bart zupfte und ſprach:
Alter, wie ſchmeckt dir der Moſt? regte die Hand
und gab ihm eine Ohrfeige, daß die fuͤnf Finger auf
der Wange unvertilgliche Spuren druͤckten. (Wagen-
seil. de civit. Norimberg. Altdorf 1697. 4. p. 37
— 57.) S. auch de beiden Kuͤnigeskinner (Nr. 27.)
wo der ſteinerne Mann mit dem Kopf nickt.
67.
Schlauraffenland.
Die Fabel vom Affen- oder Schlauraf-
fenland (die ſchlauen, klugen ſind den dummen
Affen, apar ósvinnir, mythiſcher Gegenſatz) ſteigt
ohne Frage in ein hohes Alter auf, da ſchon das ge-
genwaͤrtige Maͤrchen aus einem altdeutſchen Gedicht
des 13 Jahrhunderts herruͤhrt. Bald wird ſie ſpaß-
haft, wie hier und meiſtentheils, gewendet, aber im
Maͤrchen von dem Zuckerhaͤuschen, das mit Fladen
gedeckt, mit Zimmt gebalkt iſt, (I. 16) erſcheint ſie
in glaͤubigem Kinderernſt gleichwohl dieſelbe und
ſchließt ſich an die noch tieferen Mythen von dem
verlorenen Paradies der Unſchuld, worin Milch und
Honig ſtroͤmen. Zu der erſten Art blos gehoͤrt Hans
Sachſens bekannter Schwank (ſ. Haͤsleins Auszug
S. 391.) und Fiſcharts Anſpielung im Gargantua
S. 96a „in dem Land kann ich nicht mehr bleiben,
die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil
hinter Weihnacht, da ſind die Lebkuchenwaͤnde,
Schweinebratenbalken, Malvaſirbrunnen, Milchram-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXXXIX[XLIX]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/368>, abgerufen am 18.11.2024.
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