Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

schaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Bläser
jagt mit seinem Wind die Leute aus den Dörfern,
oder bläst sie durch die Schornsteine hinaus und
nimmt dann, was sich im Haus findet: Brot, Fleisch,
Eier; der Starke trägts fort und der Horcher muß
acht geben, ob Husaren hinter drein kommen. Sie
gehen auf eine Zeit an des Königs Hof, die Königs-
tochter ist krank und kann nur durch ein Kraut
geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Kö-
nigreich wächst und in 24 Stunden muß herbeige-
schafft seyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni-
ge, welcher es holt, so viel Schätze haben soll, als
er verlangt. Die vier Gesellen geben sich dazu an,
die Aerzte beschreiben das Kraut genau und der Lau-
fer macht sich auf den Weg. Er bringts auch vor der
bestimmten Zeit und die Princessin wird gesund.
Darauf fragt der König, wie viel Gold er verlange.
"So viel als mein Bruder (der Starke) tragen
kann." Der König denkt, der ist noch bescheiden und
sagt ja. Der Starke aber macht sich einen ungeheu-
ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf
und sagt, das sey noch zu wenig. Der König muß
erst vier, dann acht Wagen voll anders woher kom-
men lassen, als er noch mehr geben soll, sagt er: "ich
habe nichts mehr in meinem ganzen Reich-" "Wenns
nicht anders ist, so mags gut seyn" sagt der Starke
und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge-
sellen fort sind, ärgert den König das viele Geld,
das er dahin gegeben und schickt ein Regiment Husa-
ren nach, die sollen es wieder abnehmen. Der Hor-
cher aber hörts, der Laufer sieht, obs wahr ist, der
Bläser läßt sie heranrücken und bläst sie in die Luft,
so daß keiner mehr zu hören noch zu sehen ist. Dar-
nach theilen sie sich ins Geld und leben vergnügt bis
an ihr Ende.

49.
Die weiße und schwarze Braut.

(Aus dem Meklenb. und Paderbörn.) Nach der
einen Erzählung wird der Bruder nicht blos un-
ter die Schlangen gesetzt, sondern wirklich umge-

ſchaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Blaͤſer
jagt mit ſeinem Wind die Leute aus den Doͤrfern,
oder blaͤſt ſie durch die Schornſteine hinaus und
nimmt dann, was ſich im Haus findet: Brot, Fleiſch,
Eier; der Starke traͤgts fort und der Horcher muß
acht geben, ob Huſaren hinter drein kommen. Sie
gehen auf eine Zeit an des Koͤnigs Hof, die Koͤnigs-
tochter iſt krank und kann nur durch ein Kraut
geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Koͤ-
nigreich waͤchſt und in 24 Stunden muß herbeige-
ſchafft ſeyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni-
ge, welcher es holt, ſo viel Schaͤtze haben ſoll, als
er verlangt. Die vier Geſellen geben ſich dazu an,
die Aerzte beſchreiben das Kraut genau und der Lau-
fer macht ſich auf den Weg. Er bringts auch vor der
beſtimmten Zeit und die Princeſſin wird geſund.
Darauf fragt der Koͤnig, wie viel Gold er verlange.
„So viel als mein Bruder (der Starke) tragen
kann.“ Der Koͤnig denkt, der iſt noch beſcheiden und
ſagt ja. Der Starke aber macht ſich einen ungeheu-
ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf
und ſagt, das ſey noch zu wenig. Der Koͤnig muß
erſt vier, dann acht Wagen voll anders woher kom-
men laſſen, als er noch mehr geben ſoll, ſagt er: „ich
habe nichts mehr in meinem ganzen Reich-“ „Wenns
nicht anders iſt, ſo mags gut ſeyn“ ſagt der Starke
und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge-
ſellen fort ſind, aͤrgert den Koͤnig das viele Geld,
das er dahin gegeben und ſchickt ein Regiment Huſa-
ren nach, die ſollen es wieder abnehmen. Der Hor-
cher aber hoͤrts, der Laufer ſieht, obs wahr iſt, der
Blaͤſer laͤßt ſie heranruͤcken und blaͤſt ſie in die Luft,
ſo daß keiner mehr zu hoͤren noch zu ſehen iſt. Dar-
nach theilen ſie ſich ins Geld und leben vergnuͤgt bis
an ihr Ende.

49.
Die weiße und ſchwarze Braut.

(Aus dem Meklenb. und Paderboͤrn.) Nach der
einen Erzaͤhlung wird der Bruder nicht blos un-
ter die Schlangen geſetzt, ſondern wirklich umge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0356" n="XXXVII"/>
&#x017F;chaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Bla&#x0364;&#x017F;er<lb/>
jagt mit &#x017F;einem Wind die Leute aus den Do&#x0364;rfern,<lb/>
oder bla&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ie durch die Schorn&#x017F;teine hinaus und<lb/>
nimmt dann, was &#x017F;ich im Haus findet: Brot, Flei&#x017F;ch,<lb/>
Eier; der Starke tra&#x0364;gts fort und der Horcher muß<lb/>
acht geben, ob Hu&#x017F;aren hinter drein kommen. Sie<lb/>
gehen auf eine Zeit an des Ko&#x0364;nigs Hof, die Ko&#x0364;nigs-<lb/>
tochter i&#x017F;t krank und kann nur durch ein Kraut<lb/>
geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Ko&#x0364;-<lb/>
nigreich wa&#x0364;ch&#x017F;t und in 24 Stunden muß herbeige-<lb/>
&#x017F;chafft &#x017F;eyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni-<lb/>
ge, welcher es holt, &#x017F;o viel Scha&#x0364;tze haben &#x017F;oll, als<lb/>
er verlangt. Die vier Ge&#x017F;ellen geben &#x017F;ich dazu an,<lb/>
die Aerzte be&#x017F;chreiben das Kraut genau und der Lau-<lb/>
fer macht &#x017F;ich auf den Weg. Er bringts auch vor der<lb/>
be&#x017F;timmten Zeit und die Prince&#x017F;&#x017F;in wird ge&#x017F;und.<lb/>
Darauf fragt der Ko&#x0364;nig, wie viel Gold er verlange.<lb/>
&#x201E;So viel als mein Bruder (der Starke) tragen<lb/>
kann.&#x201C; Der Ko&#x0364;nig denkt, der i&#x017F;t noch be&#x017F;cheiden und<lb/>
&#x017F;agt ja. Der Starke aber macht &#x017F;ich einen ungeheu-<lb/>
ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf<lb/>
und &#x017F;agt, das &#x017F;ey noch zu wenig. Der Ko&#x0364;nig muß<lb/>
er&#x017F;t vier, dann acht Wagen voll anders woher kom-<lb/>
men la&#x017F;&#x017F;en, als er noch mehr geben &#x017F;oll, &#x017F;agt er: &#x201E;ich<lb/>
habe nichts mehr in meinem ganzen Reich-&#x201C; &#x201E;Wenns<lb/>
nicht anders i&#x017F;t, &#x017F;o mags gut &#x017F;eyn&#x201C; &#x017F;agt der Starke<lb/>
und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge-<lb/>
&#x017F;ellen fort &#x017F;ind, a&#x0364;rgert den Ko&#x0364;nig das viele Geld,<lb/>
das er dahin gegeben und &#x017F;chickt ein Regiment Hu&#x017F;a-<lb/>
ren nach, die &#x017F;ollen es wieder abnehmen. Der Hor-<lb/>
cher aber ho&#x0364;rts, der Laufer &#x017F;ieht, obs wahr i&#x017F;t, der<lb/>
Bla&#x0364;&#x017F;er la&#x0364;ßt &#x017F;ie heranru&#x0364;cken und bla&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ie in die Luft,<lb/>
&#x017F;o daß keiner mehr zu ho&#x0364;ren noch zu &#x017F;ehen i&#x017F;t. Dar-<lb/>
nach theilen &#x017F;ie &#x017F;ich ins Geld und leben vergnu&#x0364;gt bis<lb/>
an ihr Ende.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>49.<lb/><hi rendition="#g">Die weiße und &#x017F;chwarze Braut</hi>.</head><lb/>
          <p>(Aus dem Meklenb. und Paderbo&#x0364;rn.) Nach der<lb/>
einen Erza&#x0364;hlung wird der Bruder nicht blos un-<lb/>
ter die Schlangen ge&#x017F;etzt, &#x017F;ondern wirklich umge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXXVII/0356] ſchaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Blaͤſer jagt mit ſeinem Wind die Leute aus den Doͤrfern, oder blaͤſt ſie durch die Schornſteine hinaus und nimmt dann, was ſich im Haus findet: Brot, Fleiſch, Eier; der Starke traͤgts fort und der Horcher muß acht geben, ob Huſaren hinter drein kommen. Sie gehen auf eine Zeit an des Koͤnigs Hof, die Koͤnigs- tochter iſt krank und kann nur durch ein Kraut geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Koͤ- nigreich waͤchſt und in 24 Stunden muß herbeige- ſchafft ſeyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni- ge, welcher es holt, ſo viel Schaͤtze haben ſoll, als er verlangt. Die vier Geſellen geben ſich dazu an, die Aerzte beſchreiben das Kraut genau und der Lau- fer macht ſich auf den Weg. Er bringts auch vor der beſtimmten Zeit und die Princeſſin wird geſund. Darauf fragt der Koͤnig, wie viel Gold er verlange. „So viel als mein Bruder (der Starke) tragen kann.“ Der Koͤnig denkt, der iſt noch beſcheiden und ſagt ja. Der Starke aber macht ſich einen ungeheu- ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf und ſagt, das ſey noch zu wenig. Der Koͤnig muß erſt vier, dann acht Wagen voll anders woher kom- men laſſen, als er noch mehr geben ſoll, ſagt er: „ich habe nichts mehr in meinem ganzen Reich-“ „Wenns nicht anders iſt, ſo mags gut ſeyn“ ſagt der Starke und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge- ſellen fort ſind, aͤrgert den Koͤnig das viele Geld, das er dahin gegeben und ſchickt ein Regiment Huſa- ren nach, die ſollen es wieder abnehmen. Der Hor- cher aber hoͤrts, der Laufer ſieht, obs wahr iſt, der Blaͤſer laͤßt ſie heranruͤcken und blaͤſt ſie in die Luft, ſo daß keiner mehr zu hoͤren noch zu ſehen iſt. Dar- nach theilen ſie ſich ins Geld und leben vergnuͤgt bis an ihr Ende. 49. Die weiße und ſchwarze Braut. (Aus dem Meklenb. und Paderboͤrn.) Nach der einen Erzaͤhlung wird der Bruder nicht blos un- ter die Schlangen geſetzt, ſondern wirklich umge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/356
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XXXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/356>, abgerufen am 18.11.2024.