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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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(Lied 151. und vorher beim Kampf 89.) die dieser
dem Siegfried nach dem Streit mit dem Riesen lei-
stet; auch indem er ihm Essen bringt (Lied 119.)
Sie sind ihm überhaupt wie dort unterthänig.

6.
Der goldene Berg.

Ist von einem Soldaten erzählt worden; der
Kaufmann sollte in Amsterdam wohnen, was sich
auf Siegfrieds Vater beziehen könnte, den König in
Niederlanden. Das vorangehende, die Verschrei-
bung des Kindes an den Teufel in Unwissenheit und
Uebereilung ist eine häufige Einleitung der Märchen,
(S. Anmerkg. zu I. 55.) hier christlich gestellt. Die
Uebereinstimmung mit Siegfried fängt erst da an,
wo der Jüngling wie er (Wilk. S. Cap. 140. 141.
welche diesen Umstand allein hat) auf dem Was-
ser fortgetrieben
wird. Die Königstochter,
die er befreit, ist nach der deutschen Sage Chrim-
hild
auf dem Drachenstein, sonst aber, besonders
nach der nordischen Sage, Brunhild, denn für
Gudrun (d. i. Grimhild) thut er dort, wie im Ni-
bel. Lied, nichts. Der Drache, der sie gefangen
hält, kommt darin vor, daß sie selbst in eine Schlan-
ge verwandelt worden. (das Ueberwinden der Ge-
spenster durch Schweigen ist ein alter, bedeutender
Zug s. altdän. Lieder S. 508.) -- Der Goldberg,
den der Held gewinnt, ist der Berg mit dem Gold-
schatze, Hort
, welchen, nach dem Lied, Siegfried
auch im Drachenstein erwirbt; sogar die Wünschel-
ruthe
des Horts (Nib. 4509.) kommt hier als
Wunschring vor. -- In seiner Verkleidung
als Schäfer, wodurch er unerkannt eingehen
kann, noch bestimmter hernach in seiner Unsicht-
barkeit
durch den Mantel und indem er sich in eine
Fliege verwandelt hat (wie Loki, auch der indische
Hanuman dringt so zur Sita, Polier. I. 350.) er-
scheinen die unsichtbar machenden Kräfte der Nebel-
oder Tarnkappe (Nibel. 1367. u. a.) und die
Vertauschung der Gestalt in der nord. Sa-
ge. -- Am merkwürdigsten ist die fast ganz mit der

(Lied 151. und vorher beim Kampf 89.) die dieſer
dem Siegfried nach dem Streit mit dem Rieſen lei-
ſtet; auch indem er ihm Eſſen bringt (Lied 119.)
Sie ſind ihm uͤberhaupt wie dort unterthaͤnig.

6.
Der goldene Berg.

Iſt von einem Soldaten erzaͤhlt worden; der
Kaufmann ſollte in Amſterdam wohnen, was ſich
auf Siegfrieds Vater beziehen koͤnnte, den Koͤnig in
Niederlanden. Das vorangehende, die Verſchrei-
bung des Kindes an den Teufel in Unwiſſenheit und
Uebereilung iſt eine haͤufige Einleitung der Maͤrchen,
(S. Anmerkg. zu I. 55.) hier chriſtlich geſtellt. Die
Uebereinſtimmung mit Siegfried faͤngt erſt da an,
wo der Juͤngling wie er (Wilk. S. Cap. 140. 141.
welche dieſen Umſtand allein hat) auf dem Waſ-
ſer fortgetrieben
wird. Die Koͤnigstochter,
die er befreit, iſt nach der deutſchen Sage Chrim-
hild
auf dem Drachenſtein, ſonſt aber, beſonders
nach der nordiſchen Sage, Brunhild, denn fuͤr
Gudrun (d. i. Grimhild) thut er dort, wie im Ni-
bel. Lied, nichts. Der Drache, der ſie gefangen
haͤlt, kommt darin vor, daß ſie ſelbſt in eine Schlan-
ge verwandelt worden. (das Ueberwinden der Ge-
ſpenſter durch Schweigen iſt ein alter, bedeutender
Zug ſ. altdaͤn. Lieder S. 508.) — Der Goldberg,
den der Held gewinnt, iſt der Berg mit dem Gold-
ſchatze, Hort
, welchen, nach dem Lied, Siegfried
auch im Drachenſtein erwirbt; ſogar die Wuͤnſchel-
ruthe
des Horts (Nib. 4509.) kommt hier als
Wunſchring vor. — In ſeiner Verkleidung
als Schaͤfer, wodurch er unerkannt eingehen
kann, noch beſtimmter hernach in ſeiner Unſicht-
barkeit
durch den Mantel und indem er ſich in eine
Fliege verwandelt hat (wie Loki, auch der indiſche
Hanuman dringt ſo zur Sita, Polier. I. 350.) er-
ſcheinen die unſichtbar machenden Kraͤfte der Nebel-
oder Tarnkappe (Nibel. 1367. u. a.) und die
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[XII/0331] (Lied 151. und vorher beim Kampf 89.) die dieſer dem Siegfried nach dem Streit mit dem Rieſen lei- ſtet; auch indem er ihm Eſſen bringt (Lied 119.) Sie ſind ihm uͤberhaupt wie dort unterthaͤnig. 6. Der goldene Berg. Iſt von einem Soldaten erzaͤhlt worden; der Kaufmann ſollte in Amſterdam wohnen, was ſich auf Siegfrieds Vater beziehen koͤnnte, den Koͤnig in Niederlanden. Das vorangehende, die Verſchrei- bung des Kindes an den Teufel in Unwiſſenheit und Uebereilung iſt eine haͤufige Einleitung der Maͤrchen, (S. Anmerkg. zu I. 55.) hier chriſtlich geſtellt. Die Uebereinſtimmung mit Siegfried faͤngt erſt da an, wo der Juͤngling wie er (Wilk. S. Cap. 140. 141. welche dieſen Umſtand allein hat) auf dem Waſ- ſer fortgetrieben wird. Die Koͤnigstochter, die er befreit, iſt nach der deutſchen Sage Chrim- hild auf dem Drachenſtein, ſonſt aber, beſonders nach der nordiſchen Sage, Brunhild, denn fuͤr Gudrun (d. i. Grimhild) thut er dort, wie im Ni- bel. Lied, nichts. Der Drache, der ſie gefangen haͤlt, kommt darin vor, daß ſie ſelbſt in eine Schlan- ge verwandelt worden. (das Ueberwinden der Ge- ſpenſter durch Schweigen iſt ein alter, bedeutender Zug ſ. altdaͤn. Lieder S. 508.) — Der Goldberg, den der Held gewinnt, iſt der Berg mit dem Gold- ſchatze, Hort, welchen, nach dem Lied, Siegfried auch im Drachenſtein erwirbt; ſogar die Wuͤnſchel- ruthe des Horts (Nib. 4509.) kommt hier als Wunſchring vor. — In ſeiner Verkleidung als Schaͤfer, wodurch er unerkannt eingehen kann, noch beſtimmter hernach in ſeiner Unſicht- barkeit durch den Mantel und indem er ſich in eine Fliege verwandelt hat (wie Loki, auch der indiſche Hanuman dringt ſo zur Sita, Polier. I. 350.) er- ſcheinen die unſichtbar machenden Kraͤfte der Nebel- oder Tarnkappe (Nibel. 1367. u. a.) und die Vertauſchung der Geſtalt in der nord. Sa- ge. — Am merkwuͤrdigſten iſt die faſt ganz mit der

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/331>, abgerufen am 18.11.2024.