einen Raben, warum der andere so elend und krank wäre, da sprach der kranke: "weil ich nichts thun wollte und glaubte, die Nahrung käm doch vom Himmel." Die beiden nahmen die Raben mit sich in den nächsten Ort, der eine war munter und suchte sich sein Futter, alle Morgen badete er sich und putzte sich mit dem Schnabel, der andere aber hockte in den Ecken herum, war verdrießlich und sah immerfort struppig aus. Nach einer Zeit hatte die Tochter des Hausherrn, die ein schönes Mädchen war, den fleißigen Raben gar lieb, nahm ihn von dem Boden auf, streichelte ihn mit der Hand, endlich drückte sie ihn einmal an's Ge- sicht und küßte ihn vor Vergnügen. Der Vogel fiel zur Erde, wälzte sich und flatterte und ward zu einem schönen jungen Mann. Da erzählte er, der andere Rabe wär' sein Bruder und sie hätten beide ihren Vater beleidigt, der hätte sie dafür verwünscht und gesagt: "fliegt als Raben umher, so lang, bis ein schönes Mädchen euch freiwillig küßt." Also war der eine erlöst, aber den andern trägen wollte niemand küssen und er starb als Rabe. -- Bruder Liederlich nahm sich das zur Lehre, ward fleißig und ordentlich und hielt sich bei seinem Gesellen.
einen Raben, warum der andere ſo elend und krank waͤre, da ſprach der kranke: „weil ich nichts thun wollte und glaubte, die Nahrung kaͤm doch vom Himmel.“ Die beiden nahmen die Raben mit ſich in den naͤchſten Ort, der eine war munter und ſuchte ſich ſein Futter, alle Morgen badete er ſich und putzte ſich mit dem Schnabel, der andere aber hockte in den Ecken herum, war verdrießlich und ſah immerfort ſtruppig aus. Nach einer Zeit hatte die Tochter des Hausherrn, die ein ſchoͤnes Maͤdchen war, den fleißigen Raben gar lieb, nahm ihn von dem Boden auf, ſtreichelte ihn mit der Hand, endlich druͤckte ſie ihn einmal an’s Ge- ſicht und kuͤßte ihn vor Vergnuͤgen. Der Vogel fiel zur Erde, waͤlzte ſich und flatterte und ward zu einem ſchoͤnen jungen Mann. Da erzaͤhlte er, der andere Rabe waͤr’ ſein Bruder und ſie haͤtten beide ihren Vater beleidigt, der haͤtte ſie dafuͤr verwuͤnſcht und geſagt: „fliegt als Raben umher, ſo lang, bis ein ſchoͤnes Maͤdchen euch freiwillig kuͤßt.“ Alſo war der eine erloͤſt, aber den andern traͤgen wollte niemand kuͤſſen und er ſtarb als Rabe. — Bruder Liederlich nahm ſich das zur Lehre, ward fleißig und ordentlich und hielt ſich bei ſeinem Geſellen.
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einen Raben, warum der andere ſo elend und krank
waͤre, da ſprach der kranke: „weil ich nichts thun
wollte und glaubte, die Nahrung kaͤm doch vom
Himmel.“ Die beiden nahmen die Raben mit
ſich in den naͤchſten Ort, der eine war munter und
ſuchte ſich ſein Futter, alle Morgen badete er ſich
und putzte ſich mit dem Schnabel, der andere
aber hockte in den Ecken herum, war verdrießlich
und ſah immerfort ſtruppig aus. Nach einer Zeit
hatte die Tochter des Hausherrn, die ein ſchoͤnes
Maͤdchen war, den fleißigen Raben gar lieb,
nahm ihn von dem Boden auf, ſtreichelte ihn mit
der Hand, endlich druͤckte ſie ihn einmal an’s Ge-
ſicht und kuͤßte ihn vor Vergnuͤgen. Der Vogel
fiel zur Erde, waͤlzte ſich und flatterte und ward
zu einem ſchoͤnen jungen Mann. Da erzaͤhlte er,
der andere Rabe waͤr’ ſein Bruder und ſie haͤtten
beide ihren Vater beleidigt, der haͤtte ſie dafuͤr
verwuͤnſcht und geſagt: „fliegt als Raben umher,
ſo lang, bis ein ſchoͤnes Maͤdchen euch freiwillig
kuͤßt.“ Alſo war der eine erloͤſt, aber den andern
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Rabe. — Bruder Liederlich nahm ſich das zur
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/199>, abgerufen am 19.12.2024.
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