Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

nun dem dritten auch das Stück vor dem Mund
weg; da riefen sie: "wer bist du? komm her zu uns,
setz dich und iß mit uns." Da trat der Bursch herzu
und sagte, er wär' ein gelernter Jäger und wor-
nach er mit seiner Büchse ziele, das treffe er auch
sicher und gewiß. Da sprachen sie, wenn er mit
ihnen gehe, solle er's gut haben und erzählten
ihm, vor dem Wald sey ein groß Wasser, dahin-
ter ständ ein Thurm, und in dem Thurm säß eine
schöne Prinzessin, die wollten sie gern rauben.
"Ja, sprach er, die will ich bald geschafft haben."
Sagten sie weiter: "es ist aber etwas noch dabei,
es liegt ein kleines Hündchen dort, das fängt gleich
an zu bellen, wann sich jemand nähert, und so-
bald das bellt, wacht gleich alles am königlichen
Hofe auf, darum können wir nicht hinein kom-
men: unterstehst du dich, das Hündchen todt zu
schießen? "Ja, sprach er, das ist mir ein kleiner
Spaß." -- Darnach setzte er sich auf ein Schiff
und fuhr über das Wasser und wie er bald beim
Land war, kam das Hündchen gelaufen und wollte
bellen, aber er kriegte seine Windbüchse und schoß
es todt. Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich,
und meinten, sie hätten die Prinzessin nun schon
gewiß; er sprach aber zu ihnen, sie sollten haußen
bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das
Schloß und es war mäuschenstill und schlief alles;
wie er das erste Zimmer aufmachte, hing da ein
Säbel an der Wand, der war von purem Silber

nun dem dritten auch das Stuͤck vor dem Mund
weg; da riefen ſie: „wer biſt du? komm her zu uns,
ſetz dich und iß mit uns.“ Da trat der Burſch herzu
und ſagte, er waͤr’ ein gelernter Jaͤger und wor-
nach er mit ſeiner Buͤchſe ziele, das treffe er auch
ſicher und gewiß. Da ſprachen ſie, wenn er mit
ihnen gehe, ſolle er’s gut haben und erzaͤhlten
ihm, vor dem Wald ſey ein groß Waſſer, dahin-
ter ſtaͤnd ein Thurm, und in dem Thurm ſaͤß eine
ſchoͤne Prinzeſſin, die wollten ſie gern rauben.
„Ja, ſprach er, die will ich bald geſchafft haben.“
Sagten ſie weiter: „es iſt aber etwas noch dabei,
es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich
an zu bellen, wann ſich jemand naͤhert, und ſo-
bald das bellt, wacht gleich alles am koͤniglichen
Hofe auf, darum koͤnnen wir nicht hinein kom-
men: unterſtehſt du dich, das Huͤndchen todt zu
ſchießen? „Ja, ſprach er, das iſt mir ein kleiner
Spaß.“ — Darnach ſetzte er ſich auf ein Schiff
und fuhr uͤber das Waſſer und wie er bald beim
Land war, kam das Huͤndchen gelaufen und wollte
bellen, aber er kriegte ſeine Windbuͤchſe und ſchoß
es todt. Wie die Rieſen das ſahen, freuten ſie ſich,
und meinten, ſie haͤtten die Prinzeſſin nun ſchon
gewiß; er ſprach aber zu ihnen, ſie ſollten haußen
bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das
Schloß und es war maͤuschenſtill und ſchlief alles;
wie er das erſte Zimmer aufmachte, hing da ein
Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0161" n="140"/>
nun dem dritten auch das Stu&#x0364;ck vor dem Mund<lb/>
weg; da riefen &#x017F;ie: &#x201E;wer bi&#x017F;t du? komm her zu uns,<lb/>
&#x017F;etz dich und iß mit uns.&#x201C; Da trat der Bur&#x017F;ch herzu<lb/>
und &#x017F;agte, er wa&#x0364;r&#x2019; ein gelernter Ja&#x0364;ger und wor-<lb/>
nach er mit &#x017F;einer Bu&#x0364;ch&#x017F;e ziele, das treffe er auch<lb/>
&#x017F;icher und gewiß. Da &#x017F;prachen &#x017F;ie, wenn er mit<lb/>
ihnen gehe, &#x017F;olle er&#x2019;s gut haben und erza&#x0364;hlten<lb/>
ihm, vor dem Wald &#x017F;ey ein groß Wa&#x017F;&#x017F;er, dahin-<lb/>
ter &#x017F;ta&#x0364;nd ein Thurm, und in dem Thurm &#x017F;a&#x0364;ß eine<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Prinze&#x017F;&#x017F;in, die wollten &#x017F;ie gern rauben.<lb/>
&#x201E;Ja, &#x017F;prach er, die will ich bald ge&#x017F;chafft haben.&#x201C;<lb/>
Sagten &#x017F;ie weiter: &#x201E;es i&#x017F;t aber etwas noch dabei,<lb/>
es liegt ein kleines Hu&#x0364;ndchen dort, das fa&#x0364;ngt gleich<lb/>
an zu bellen, wann &#x017F;ich jemand na&#x0364;hert, und &#x017F;o-<lb/>
bald das bellt, wacht gleich alles am ko&#x0364;niglichen<lb/>
Hofe auf, darum ko&#x0364;nnen wir nicht hinein kom-<lb/>
men: unter&#x017F;teh&#x017F;t du dich, das Hu&#x0364;ndchen todt zu<lb/>
&#x017F;chießen? &#x201E;Ja, &#x017F;prach er, das i&#x017F;t mir ein kleiner<lb/>
Spaß.&#x201C; &#x2014; Darnach &#x017F;etzte er &#x017F;ich auf ein Schiff<lb/>
und fuhr u&#x0364;ber das Wa&#x017F;&#x017F;er und wie er bald beim<lb/>
Land war, kam das Hu&#x0364;ndchen gelaufen und wollte<lb/>
bellen, aber er kriegte &#x017F;eine Windbu&#x0364;ch&#x017F;e und &#x017F;choß<lb/>
es todt. Wie die Rie&#x017F;en das &#x017F;ahen, freuten &#x017F;ie &#x017F;ich,<lb/>
und meinten, &#x017F;ie ha&#x0364;tten die Prinze&#x017F;&#x017F;in nun &#x017F;chon<lb/>
gewiß; er &#x017F;prach aber zu ihnen, &#x017F;ie &#x017F;ollten haußen<lb/>
bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das<lb/>
Schloß und es war ma&#x0364;uschen&#x017F;till und &#x017F;chlief alles;<lb/>
wie er das er&#x017F;te Zimmer aufmachte, hing da ein<lb/>
Sa&#x0364;bel an der Wand, der war von purem Silber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0161] nun dem dritten auch das Stuͤck vor dem Mund weg; da riefen ſie: „wer biſt du? komm her zu uns, ſetz dich und iß mit uns.“ Da trat der Burſch herzu und ſagte, er waͤr’ ein gelernter Jaͤger und wor- nach er mit ſeiner Buͤchſe ziele, das treffe er auch ſicher und gewiß. Da ſprachen ſie, wenn er mit ihnen gehe, ſolle er’s gut haben und erzaͤhlten ihm, vor dem Wald ſey ein groß Waſſer, dahin- ter ſtaͤnd ein Thurm, und in dem Thurm ſaͤß eine ſchoͤne Prinzeſſin, die wollten ſie gern rauben. „Ja, ſprach er, die will ich bald geſchafft haben.“ Sagten ſie weiter: „es iſt aber etwas noch dabei, es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich an zu bellen, wann ſich jemand naͤhert, und ſo- bald das bellt, wacht gleich alles am koͤniglichen Hofe auf, darum koͤnnen wir nicht hinein kom- men: unterſtehſt du dich, das Huͤndchen todt zu ſchießen? „Ja, ſprach er, das iſt mir ein kleiner Spaß.“ — Darnach ſetzte er ſich auf ein Schiff und fuhr uͤber das Waſſer und wie er bald beim Land war, kam das Huͤndchen gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte ſeine Windbuͤchſe und ſchoß es todt. Wie die Rieſen das ſahen, freuten ſie ſich, und meinten, ſie haͤtten die Prinzeſſin nun ſchon gewiß; er ſprach aber zu ihnen, ſie ſollten haußen bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das Schloß und es war maͤuschenſtill und ſchlief alles; wie er das erſte Zimmer aufmachte, hing da ein Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/161
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/161>, abgerufen am 19.12.2024.