Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

suchen das Herz vom Lamm und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!' 'Ei,' sprach der heil. Petrus, 'das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?' 'Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.' 'Nun, es ist schon gut,' sagte der heil. Petrus, 'ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.' 'Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen' sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen.

Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heil. Petrus 'geh du nur voran.' 'Nein,' antwortete der Bruder Lustig, 'geh du voran,' und dachte 'wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück.' Da schritt der heil. Petrus hindurch, und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er 'Bruder, hilf mir.' Sagte der heil. Petrus 'willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?' 'Nein,' antwortete er, 'ich hab es nicht gegessen.' Da ward das Wasser noch größer, und stieg ihm bis an den Mund: 'hilf mir, Bruder,' rief der Soldat. Sprach der heil. Petrus noch einmal 'willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?' 'Nein,' antwortete er, 'ich hab es nicht gegessen.' Der heil. Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber.

Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie daß die Königstochter todtkrank läge. 'Holla, Bruder,' sprach der Soldat zum heil. Petrus, 'da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen.' Da

suchen das Herz vom Lamm und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen.

Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heil. Petrus ‘geh du nur voran.’ ‘Nein,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘geh du voran,’ und dachte ‘wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück.’ Da schritt der heil. Petrus hindurch, und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er ‘Bruder, hilf mir.’ Sagte der heil. Petrus ‘willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?’ ‘Nein,’ antwortete er, ‘ich hab es nicht gegessen.’ Da ward das Wasser noch größer, und stieg ihm bis an den Mund: ‘hilf mir, Bruder,’ rief der Soldat. Sprach der heil. Petrus noch einmal ‘willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?’ ‘Nein,’ antwortete er, ‘ich hab es nicht gegessen.’ Der heil. Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber.

Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie daß die Königstochter todtkrank läge. ‘Holla, Bruder,’ sprach der Soldat zum heil. Petrus, ‘da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen.’ Da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0438" n="405"/>
suchen das Herz vom Lamm und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!&#x2019; &#x2018;Ei,&#x2019; sprach der heil. Petrus, &#x2018;das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?&#x2019; &#x2018;Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.&#x2019; &#x2018;Nun, es ist schon gut,&#x2019; sagte der heil. Petrus, &#x2018;ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.&#x2019; &#x2018;Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen&#x2019; sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen.</p><lb/>
        <p>Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heil. Petrus &#x2018;geh du nur voran.&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete der Bruder Lustig, &#x2018;geh du voran,&#x2019; und dachte &#x2018;wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück.&#x2019; Da schritt der heil. Petrus hindurch, und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er &#x2018;Bruder, hilf mir.&#x2019; Sagte der heil. Petrus &#x2018;willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete er, &#x2018;ich hab es nicht gegessen.&#x2019; Da ward das Wasser noch größer, und stieg ihm bis an den Mund: &#x2018;hilf mir, Bruder,&#x2019; rief der Soldat. Sprach der heil. Petrus noch einmal &#x2018;willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete er, &#x2018;ich hab es nicht gegessen.&#x2019; Der heil. Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber.</p><lb/>
        <p>Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie daß die Königstochter todtkrank läge. &#x2018;Holla, Bruder,&#x2019; sprach der Soldat zum heil. Petrus, &#x2018;da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen.&#x2019; Da
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0438] suchen das Herz vom Lamm und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen. Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heil. Petrus ‘geh du nur voran.’ ‘Nein,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘geh du voran,’ und dachte ‘wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück.’ Da schritt der heil. Petrus hindurch, und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er ‘Bruder, hilf mir.’ Sagte der heil. Petrus ‘willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?’ ‘Nein,’ antwortete er, ‘ich hab es nicht gegessen.’ Da ward das Wasser noch größer, und stieg ihm bis an den Mund: ‘hilf mir, Bruder,’ rief der Soldat. Sprach der heil. Petrus noch einmal ‘willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?’ ‘Nein,’ antwortete er, ‘ich hab es nicht gegessen.’ Der heil. Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber. Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie daß die Königstochter todtkrank läge. ‘Holla, Bruder,’ sprach der Soldat zum heil. Petrus, ‘da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen.’ Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/438
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/438>, abgerufen am 26.11.2024.