Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

ja, wenn er gelernt wäre und ihm Wildpret schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildpret in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward alles auf sechszig Bauerwagen geladen und dem König heimgefahren; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildpret zieren, nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte.

Nun empfand der König große Freude darüber und bestellte es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen, und machte ein großes Gastmal. Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem Jäger 'weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.' Er antwortete 'Herr König, Ew. Majestät halte zu Gnaden, ich bin ein schlechter Jägerbursch.' Der König aber bestand darauf und sagte 'du sollst dich neben mich setzen,' bis er es that. Wie er da saß, dachte er an seine liebste Frau Mutter, und wünschte daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfienge, und fragte wie es wohl der Frau Königin im Thurm gienge, ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet. Kaum hatte er es gewünscht, so fieng auch schon der Marschall an, und sprach 'königliche Majestät, wir leben hier in Freuden, wie geht es wohl der Frau Königin im Thurm, ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?' Aber der König antwortete 'sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Thieren zerreißen lassen, davon will ich nichts hören.' Da stand der Jäger auf

ja, wenn er gelernt wäre und ihm Wildpret schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildpret in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward alles auf sechszig Bauerwagen geladen und dem König heimgefahren; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildpret zieren, nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte.

Nun empfand der König große Freude darüber und bestellte es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen, und machte ein großes Gastmal. Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem Jäger ‘weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.’ Er antwortete ‘Herr König, Ew. Majestät halte zu Gnaden, ich bin ein schlechter Jägerbursch.’ Der König aber bestand darauf und sagte ‘du sollst dich neben mich setzen,’ bis er es that. Wie er da saß, dachte er an seine liebste Frau Mutter, und wünschte daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfienge, und fragte wie es wohl der Frau Königin im Thurm gienge, ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet. Kaum hatte er es gewünscht, so fieng auch schon der Marschall an, und sprach ‘königliche Majestät, wir leben hier in Freuden, wie geht es wohl der Frau Königin im Thurm, ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?’ Aber der König antwortete ‘sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Thieren zerreißen lassen, davon will ich nichts hören.’ Da stand der Jäger auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0425" n="392"/>
ja, wenn er gelernt wäre und ihm Wildpret schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildpret in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward alles auf sechszig Bauerwagen geladen und dem König heimgefahren; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildpret zieren, nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte.</p><lb/>
        <p>Nun empfand der König große Freude darüber und bestellte es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen, und machte ein großes Gastmal. Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem Jäger &#x2018;weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.&#x2019; Er antwortete &#x2018;Herr König, Ew. Majestät halte zu Gnaden, ich bin ein schlechter Jägerbursch.&#x2019; Der König aber bestand darauf und sagte &#x2018;du sollst dich neben mich setzen,&#x2019; bis er es that. Wie er da saß, dachte er an seine liebste Frau Mutter, und wünschte daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfienge, und fragte wie es wohl der Frau Königin im Thurm gienge, ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet. Kaum hatte er es gewünscht, so fieng auch schon der Marschall an, und sprach &#x2018;königliche Majestät, wir leben hier in Freuden, wie geht es wohl der Frau Königin im Thurm, ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?&#x2019; Aber der König antwortete &#x2018;sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Thieren zerreißen lassen, davon will ich nichts hören.&#x2019; Da stand der Jäger auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0425] ja, wenn er gelernt wäre und ihm Wildpret schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da giengen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fieng an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildpret in den Kreiß gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward alles auf sechszig Bauerwagen geladen und dem König heimgefahren; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildpret zieren, nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte. Nun empfand der König große Freude darüber und bestellte es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen, und machte ein großes Gastmal. Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem Jäger ‘weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.’ Er antwortete ‘Herr König, Ew. Majestät halte zu Gnaden, ich bin ein schlechter Jägerbursch.’ Der König aber bestand darauf und sagte ‘du sollst dich neben mich setzen,’ bis er es that. Wie er da saß, dachte er an seine liebste Frau Mutter, und wünschte daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfienge, und fragte wie es wohl der Frau Königin im Thurm gienge, ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet. Kaum hatte er es gewünscht, so fieng auch schon der Marschall an, und sprach ‘königliche Majestät, wir leben hier in Freuden, wie geht es wohl der Frau Königin im Thurm, ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?’ Aber der König antwortete ‘sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Thieren zerreißen lassen, davon will ich nichts hören.’ Da stand der Jäger auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/425
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/425>, abgerufen am 16.07.2024.