Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.kommen. Der Koch erschrack, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh 'gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenns wahr ist, so kriegst du Schläge.' Als er vor den König kam, fragte dieser wer die Suppe gekocht hätte? Antwortete der Koch 'ich habe sie gekocht.' Der König aber sprach 'das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst.' Antwortete er 'ich muß es gestehen daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhthierchen.' Sprach der König 'geh und laß es herauf kommen.' Als Allerleirauh kam, fragte der König 'wer bist du?' 'Jch bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat.' Fragte er weiter 'wozu bist du in meinem Schloß?' Antwortete es 'ich bin zu nichts gut als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden.' Fragte er weiter 'wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?' Antwortete es 'von dem Ring weiß ich nichts.' Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken. Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis zusehen zu dürfen. Antwortete er 'ja, aber komm in einer halben Stunde wieder und koch dem König die Brotsuppe, die er so gerne ißt.' Da lief es in sein Ställchen, wusch sich geschwind und nahm aus der Nuß das Kleid, das so silbern war wie der Mond, und that es an. Da gieng sie hinauf, und glich einer Königstochter: und der König trat ihr entgegen und freute sich daß er sie wiedersah, und weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell daß der König nicht bemerken konnte wo sie hingieng. Sie sprang aber in ihr Ställchen, und machte sich wieder zum Rauhthierchen, und gieng in die Küche, die Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es das goldene Spinnrad und that es in die Schüssel, so kommen. Der Koch erschrack, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh ‘gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenns wahr ist, so kriegst du Schläge.’ Als er vor den König kam, fragte dieser wer die Suppe gekocht hätte? Antwortete der Koch ‘ich habe sie gekocht.’ Der König aber sprach ‘das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst.’ Antwortete er ‘ich muß es gestehen daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhthierchen.’ Sprach der König ‘geh und laß es herauf kommen.’ Als Allerleirauh kam, fragte der König ‘wer bist du?’ ‘Jch bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat.’ Fragte er weiter ‘wozu bist du in meinem Schloß?’ Antwortete es ‘ich bin zu nichts gut als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden.’ Fragte er weiter ‘wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?’ Antwortete es ‘von dem Ring weiß ich nichts.’ Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken. Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis zusehen zu dürfen. Antwortete er ‘ja, aber komm in einer halben Stunde wieder und koch dem König die Brotsuppe, die er so gerne ißt.’ Da lief es in sein Ställchen, wusch sich geschwind und nahm aus der Nuß das Kleid, das so silbern war wie der Mond, und that es an. Da gieng sie hinauf, und glich einer Königstochter: und der König trat ihr entgegen und freute sich daß er sie wiedersah, und weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell daß der König nicht bemerken konnte wo sie hingieng. Sie sprang aber in ihr Ställchen, und machte sich wieder zum Rauhthierchen, und gieng in die Küche, die Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es das goldene Spinnrad und that es in die Schüssel, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0390" n="357"/> kommen. Der Koch erschrack, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh ‘gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenns wahr ist, so kriegst du Schläge.’ Als er vor den König kam, fragte dieser wer die Suppe gekocht hätte? Antwortete der Koch ‘ich habe sie gekocht.’ Der König aber sprach ‘das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst.’ Antwortete er ‘ich muß es gestehen daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhthierchen.’ Sprach der König ‘geh und laß es herauf kommen.’</p><lb/> <p>Als Allerleirauh kam, fragte der König ‘wer bist du?’ ‘Jch bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat.’ Fragte er weiter ‘wozu bist du in meinem Schloß?’ Antwortete es ‘ich bin zu nichts gut als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden.’ Fragte er weiter ‘wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?’ Antwortete es ‘von dem Ring weiß ich nichts.’ Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken.</p><lb/> <p>Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis zusehen zu dürfen. 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kommen. Der Koch erschrack, wie er den Befehl hörte, und sprach zu Allerleirauh ‘gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenns wahr ist, so kriegst du Schläge.’ Als er vor den König kam, fragte dieser wer die Suppe gekocht hätte? Antwortete der Koch ‘ich habe sie gekocht.’ Der König aber sprach ‘das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst.’ Antwortete er ‘ich muß es gestehen daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhthierchen.’ Sprach der König ‘geh und laß es herauf kommen.’
Als Allerleirauh kam, fragte der König ‘wer bist du?’ ‘Jch bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat.’ Fragte er weiter ‘wozu bist du in meinem Schloß?’ Antwortete es ‘ich bin zu nichts gut als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden.’ Fragte er weiter ‘wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?’ Antwortete es ‘von dem Ring weiß ich nichts.’ Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken.
Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis zusehen zu dürfen. Antwortete er ‘ja, aber komm in einer halben Stunde wieder und koch dem König die Brotsuppe, die er so gerne ißt.’ Da lief es in sein Ställchen, wusch sich geschwind und nahm aus der Nuß das Kleid, das so silbern war wie der Mond, und that es an. Da gieng sie hinauf, und glich einer Königstochter: und der König trat ihr entgegen und freute sich daß er sie wiedersah, und weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell daß der König nicht bemerken konnte wo sie hingieng. Sie sprang aber in ihr Ställchen, und machte sich wieder zum Rauhthierchen, und gieng in die Küche, die Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es das goldene Spinnrad und that es in die Schüssel, so
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/390>, abgerufen am 16.02.2025. |