Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein.

Die Sonne gieng auf und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern 'seht doch was dort für ein Wild sich versteckt hat.' Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wieder kamen, sprachen sie 'in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft.' Sprach der König 'seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit.' Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu 'ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.' Da sprachen sie 'Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.' Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten 'Rauhthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.' Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs, kehrte die Asche und that alle schlechte Arbeit.

Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie solls mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch 'darf ich ein wenig hinauf gehen und zusehen? ich will mich außen vor die Thüre stellen.' Antwortete der Koch 'ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und

und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein.

Die Sonne gieng auf und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern ‘seht doch was dort für ein Wild sich versteckt hat.’ Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wieder kamen, sprachen sie ‘in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft.’ Sprach der König ‘seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit.’ Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu ‘ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.’ Da sprachen sie ‘Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.’ Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten ‘Rauhthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.’ Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs, kehrte die Asche und that alle schlechte Arbeit.

Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie solls mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch ‘darf ich ein wenig hinauf gehen und zusehen? ich will mich außen vor die Thüre stellen.’ Antwortete der Koch ‘ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="355"/>
und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein.</p><lb/>
        <p>Die Sonne gieng auf und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern &#x2018;seht doch was dort für ein Wild sich versteckt hat.&#x2019; Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wieder kamen, sprachen sie &#x2018;in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft.&#x2019; Sprach der König &#x2018;seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit.&#x2019; Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu &#x2018;ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.&#x2019; Da sprachen sie &#x2018;<hi rendition="#g">Allerleirauh</hi>, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.&#x2019; Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten &#x2018;Rauhthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.&#x2019; Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs, kehrte die Asche und that alle schlechte Arbeit.</p><lb/>
        <p>Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie solls mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch &#x2018;darf ich ein wenig hinauf gehen und zusehen? ich will mich außen vor die Thüre stellen.&#x2019; Antwortete der Koch &#x2018;ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0388] und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein. Die Sonne gieng auf und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern ‘seht doch was dort für ein Wild sich versteckt hat.’ Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wieder kamen, sprachen sie ‘in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft.’ Sprach der König ‘seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen und nehmts mit.’ Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu ‘ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit.’ Da sprachen sie ‘Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.’ Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten ‘Rauhthierchen, da kannst du wohnen und schlafen.’ Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs, kehrte die Asche und that alle schlechte Arbeit. Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie solls mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch ‘darf ich ein wenig hinauf gehen und zusehen? ich will mich außen vor die Thüre stellen.’ Antwortete der Koch ‘ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/388
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/388>, abgerufen am 15.08.2024.