Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.der deutschen Lalenbürger, unter dem Schein der höchsten Weisheit die unbeschreiblichsten Albernheiten ausgeführt werden. Wie ergötzlich, wenn der Meister auf einer Reise seinen Schülern den Rath ertheilt nicht eher in den tückischen Fluß zu treten, als bis er sich im Zustand des Schlafes befinde. Dummkopf wird ausgeschickt Nachforschungen anzustellen, wobei ihm die größte Vorsicht empfohlen ist. Er berührt deshalb die Oberfläche des Wassers mit einem brennenden Hölzchen, das zischend verlischt, und wovon der Rauch ihm ins Gesicht steigt. Voll Schrecken lauft er zurück und meldet dem Meister das Wasser sei in heftigem Zorn, es habe gleich einer Schlange um sich gezischt und ihn mit gewaltigem Rauch ersticken wollen: ohne Lebensgefahr könne man in diesem Augenblick den Fluß nicht überschreiten. Elphinstone bemerkt in der Reise nach Kabul (übersetzt von Rühs 1, 95) daß in Asien eine Menge von unsern Schwänken erzählt werden. Holzmann hat nicht bloß das altindische Mahabharata zu seiner ursprünglichen Gestalt, die an Großartigkeit der Gedanken und Erhabenheit der Gesinnung keinem andern Epos zu weichen braucht, zurück zu führen, den kühnen Versuch gemacht, er hat auch einzelne, für sich bestehende Stücke ausgeschieden. Zwar nehmen diese Theil an der höheren Ausbildung des ganzen Gedichts und sind kein unmittelbarer Ausdruck der Überlieferung, vielmehr ist Kunst in der Darstellung und bewußte Betrachtung sittlicher Zustände eingetreten, doch so manches ganz Märchenhafte in der Grundlage bestimmt mich ihrer hier Erwähnung zu thun und Einiges daraus als Beispiel anzuführen. Dakscha, der Herr der Welt, gibt siebenundzwanzig von seinen Töchtern dem Mond zu Frauen. Alle sind sie schön, doch an Rohini (Stern Aldebaran), die im höchsten Glanz strahlt, hat der Mond das größte Gefallen: er wohnt bei ihr allein. Die übrigen, die sich vernachlässigt sehen, zürnen über den Herrn der der deutschen Lalenbürger, unter dem Schein der höchsten Weisheit die unbeschreiblichsten Albernheiten ausgeführt werden. Wie ergötzlich, wenn der Meister auf einer Reise seinen Schülern den Rath ertheilt nicht eher in den tückischen Fluß zu treten, als bis er sich im Zustand des Schlafes befinde. Dummkopf wird ausgeschickt Nachforschungen anzustellen, wobei ihm die größte Vorsicht empfohlen ist. Er berührt deshalb die Oberfläche des Wassers mit einem brennenden Hölzchen, das zischend verlischt, und wovon der Rauch ihm ins Gesicht steigt. Voll Schrecken lauft er zurück und meldet dem Meister das Wasser sei in heftigem Zorn, es habe gleich einer Schlange um sich gezischt und ihn mit gewaltigem Rauch ersticken wollen: ohne Lebensgefahr könne man in diesem Augenblick den Fluß nicht überschreiten. Elphinstone bemerkt in der Reise nach Kabul (übersetzt von Rühs 1, 95) daß in Asien eine Menge von unsern Schwänken erzählt werden. Holzmann hat nicht bloß das altindische Mahabharata zu seiner ursprünglichen Gestalt, die an Großartigkeit der Gedanken und Erhabenheit der Gesinnung keinem andern Epos zu weichen braucht, zurück zu führen, den kühnen Versuch gemacht, er hat auch einzelne, für sich bestehende Stücke ausgeschieden. Zwar nehmen diese Theil an der höheren Ausbildung des ganzen Gedichts und sind kein unmittelbarer Ausdruck der Überlieferung, vielmehr ist Kunst in der Darstellung und bewußte Betrachtung sittlicher Zustände eingetreten, doch so manches ganz Märchenhafte in der Grundlage bestimmt mich ihrer hier Erwähnung zu thun und Einiges daraus als Beispiel anzuführen. Dakscha, der Herr der Welt, gibt siebenundzwanzig von seinen Töchtern dem Mond zu Frauen. Alle sind sie schön, doch an Rohini (Stern Aldebaran), die im höchsten Glanz strahlt, hat der Mond das größte Gefallen: er wohnt bei ihr allein. Die übrigen, die sich vernachlässigt sehen, zürnen über den Herrn der <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0063" n="LVII"/> der deutschen Lalenbürger, unter dem Schein der höchsten Weisheit die unbeschreiblichsten Albernheiten ausgeführt werden. Wie ergötzlich, wenn der Meister auf einer Reise seinen Schülern den Rath ertheilt nicht eher in den tückischen Fluß zu treten, als bis er sich im Zustand des Schlafes befinde. Dummkopf wird ausgeschickt Nachforschungen anzustellen, wobei ihm die größte Vorsicht empfohlen ist. Er berührt deshalb die Oberfläche des Wassers mit einem brennenden Hölzchen, das zischend verlischt, und wovon der Rauch ihm ins Gesicht steigt. Voll Schrecken lauft er zurück und meldet dem Meister das Wasser sei in heftigem Zorn, es habe gleich einer Schlange um sich gezischt und ihn mit gewaltigem Rauch ersticken wollen: ohne Lebensgefahr könne man in diesem Augenblick den Fluß nicht überschreiten. Elphinstone bemerkt in der Reise nach Kabul (übersetzt von Rühs 1, 95) daß in Asien eine Menge von unsern Schwänken erzählt werden.</p><lb/> <p>Holzmann hat nicht bloß das altindische Mahabharata zu seiner ursprünglichen Gestalt, die an Großartigkeit der Gedanken und Erhabenheit der Gesinnung keinem andern Epos zu weichen braucht, zurück zu führen, den kühnen Versuch gemacht, er hat auch einzelne, für sich bestehende Stücke ausgeschieden. Zwar nehmen diese Theil an der höheren Ausbildung des ganzen Gedichts und sind kein unmittelbarer Ausdruck der Überlieferung, vielmehr ist Kunst in der Darstellung und bewußte Betrachtung sittlicher Zustände eingetreten, doch so manches ganz Märchenhafte in der Grundlage bestimmt mich ihrer hier Erwähnung zu thun und Einiges daraus als Beispiel anzuführen. Dakscha, der Herr der Welt, gibt siebenundzwanzig von seinen Töchtern dem Mond zu Frauen. Alle sind sie schön, doch an Rohini (Stern Aldebaran), die im höchsten Glanz strahlt, hat der Mond das größte Gefallen: er wohnt bei ihr allein. Die übrigen, die sich vernachlässigt sehen, zürnen über den Herrn der </p> </div> </front> </text> </TEI> [LVII/0063]
der deutschen Lalenbürger, unter dem Schein der höchsten Weisheit die unbeschreiblichsten Albernheiten ausgeführt werden. Wie ergötzlich, wenn der Meister auf einer Reise seinen Schülern den Rath ertheilt nicht eher in den tückischen Fluß zu treten, als bis er sich im Zustand des Schlafes befinde. Dummkopf wird ausgeschickt Nachforschungen anzustellen, wobei ihm die größte Vorsicht empfohlen ist. Er berührt deshalb die Oberfläche des Wassers mit einem brennenden Hölzchen, das zischend verlischt, und wovon der Rauch ihm ins Gesicht steigt. Voll Schrecken lauft er zurück und meldet dem Meister das Wasser sei in heftigem Zorn, es habe gleich einer Schlange um sich gezischt und ihn mit gewaltigem Rauch ersticken wollen: ohne Lebensgefahr könne man in diesem Augenblick den Fluß nicht überschreiten. Elphinstone bemerkt in der Reise nach Kabul (übersetzt von Rühs 1, 95) daß in Asien eine Menge von unsern Schwänken erzählt werden.
Holzmann hat nicht bloß das altindische Mahabharata zu seiner ursprünglichen Gestalt, die an Großartigkeit der Gedanken und Erhabenheit der Gesinnung keinem andern Epos zu weichen braucht, zurück zu führen, den kühnen Versuch gemacht, er hat auch einzelne, für sich bestehende Stücke ausgeschieden. Zwar nehmen diese Theil an der höheren Ausbildung des ganzen Gedichts und sind kein unmittelbarer Ausdruck der Überlieferung, vielmehr ist Kunst in der Darstellung und bewußte Betrachtung sittlicher Zustände eingetreten, doch so manches ganz Märchenhafte in der Grundlage bestimmt mich ihrer hier Erwähnung zu thun und Einiges daraus als Beispiel anzuführen. Dakscha, der Herr der Welt, gibt siebenundzwanzig von seinen Töchtern dem Mond zu Frauen. Alle sind sie schön, doch an Rohini (Stern Aldebaran), die im höchsten Glanz strahlt, hat der Mond das größte Gefallen: er wohnt bei ihr allein. Die übrigen, die sich vernachlässigt sehen, zürnen über den Herrn der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/63 |
Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. LVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/63>, abgerufen am 16.02.2025. |