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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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dar, denn er führt Streiche aus ganz in der Art, wie im deutschen (Nr 61) das Bürle. Jmmer tritt der Jnhalt der irischen Märchen mit scharfer und sicherer Bestimmung hervor, und sie unterscheiden sich darin zu ihrem Vortheil von den deutschen, wo die vielfach gestörte oder durch fremde Einflüsse geschwächte Überlieferung oft Lücken und einen Mangel an Zusammenhang verräth: dagegen fehlt ihnen das Zutrauliche und Heitere das diesen eigen ist, die gerne mit der Aussicht auf lange und dauernde Glückseligkeit schließen. Aber die Elfen sind auch bei den Jren seltner geneigt sich als gütige und wohlthätige Wesen zu beweisen, und ihre Gaben müssen ihnen mit List abgewonnen werden. Andere Verhältnisse, als die aus der Berührung mit der Geisterwelt hervor gehen, werden hier kaum erwähnt. Wie häufig wird z. B. in den deutschen Märchen das schwere Geschick geschildert, das Kinder von einer bösen Stiefmutter erdulden müssen, ich habe das in den irischen nicht gefunden: die Übersetzung eines alten, nicht volksmäßigen Gedichts von den drei Schwänen Lirs (K. v. K. 2, 275) macht keine Ausnahme. Eine entschiedene Übereinstimmung habe ich nur in dem vorhin genannten Darby Duly bemerkt, sonst kommt aber in einzelnen Zügen manches Ähnliche vor, wie ich in den Anmerkungen zu Crokers Werk nachgewiesen habe: deutlicher ist die Übereinstimmung in dem Glauben an die Elfen. Die von der Lady Guest aus einer alten Handschrift herausgegebenen gälischen Mabinogion (Märchen) übergehe ich hier: wie werthvoll sie für die Geschichte der Poesie sind, so enthalten sie doch keine aus dem Munde des Volks geschöpfte Sagen, sondern eigenthümlich kalte und unbelebte Darstellungen alter Rittergedichte, die uns wie trockene Auszüge aus bessern Werken gemahnen.

Jn Schottland, für sächsische Einwirkungen empfänglicher, läßt sich vielleicht eine so reiche Ernte nicht halten, doch das bekannt

dar, denn er führt Streiche aus ganz in der Art, wie im deutschen (Nr 61) das Bürle. Jmmer tritt der Jnhalt der irischen Märchen mit scharfer und sicherer Bestimmung hervor, und sie unterscheiden sich darin zu ihrem Vortheil von den deutschen, wo die vielfach gestörte oder durch fremde Einflüsse geschwächte Überlieferung oft Lücken und einen Mangel an Zusammenhang verräth: dagegen fehlt ihnen das Zutrauliche und Heitere das diesen eigen ist, die gerne mit der Aussicht auf lange und dauernde Glückseligkeit schließen. Aber die Elfen sind auch bei den Jren seltner geneigt sich als gütige und wohlthätige Wesen zu beweisen, und ihre Gaben müssen ihnen mit List abgewonnen werden. Andere Verhältnisse, als die aus der Berührung mit der Geisterwelt hervor gehen, werden hier kaum erwähnt. Wie häufig wird z. B. in den deutschen Märchen das schwere Geschick geschildert, das Kinder von einer bösen Stiefmutter erdulden müssen, ich habe das in den irischen nicht gefunden: die Übersetzung eines alten, nicht volksmäßigen Gedichts von den drei Schwänen Lirs (K. v. K. 2, 275) macht keine Ausnahme. Eine entschiedene Übereinstimmung habe ich nur in dem vorhin genannten Darby Duly bemerkt, sonst kommt aber in einzelnen Zügen manches Ähnliche vor, wie ich in den Anmerkungen zu Crokers Werk nachgewiesen habe: deutlicher ist die Übereinstimmung in dem Glauben an die Elfen. Die von der Lady Guest aus einer alten Handschrift herausgegebenen gälischen Mabinogion (Märchen) übergehe ich hier: wie werthvoll sie für die Geschichte der Poesie sind, so enthalten sie doch keine aus dem Munde des Volks geschöpfte Sagen, sondern eigenthümlich kalte und unbelebte Darstellungen alter Rittergedichte, die uns wie trockene Auszüge aus bessern Werken gemahnen.

Jn Schottland, für sächsische Einwirkungen empfänglicher, läßt sich vielleicht eine so reiche Ernte nicht halten, doch das bekannt

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[XLIX/0055] dar, denn er führt Streiche aus ganz in der Art, wie im deutschen (Nr 61) das Bürle. Jmmer tritt der Jnhalt der irischen Märchen mit scharfer und sicherer Bestimmung hervor, und sie unterscheiden sich darin zu ihrem Vortheil von den deutschen, wo die vielfach gestörte oder durch fremde Einflüsse geschwächte Überlieferung oft Lücken und einen Mangel an Zusammenhang verräth: dagegen fehlt ihnen das Zutrauliche und Heitere das diesen eigen ist, die gerne mit der Aussicht auf lange und dauernde Glückseligkeit schließen. Aber die Elfen sind auch bei den Jren seltner geneigt sich als gütige und wohlthätige Wesen zu beweisen, und ihre Gaben müssen ihnen mit List abgewonnen werden. Andere Verhältnisse, als die aus der Berührung mit der Geisterwelt hervor gehen, werden hier kaum erwähnt. Wie häufig wird z. B. in den deutschen Märchen das schwere Geschick geschildert, das Kinder von einer bösen Stiefmutter erdulden müssen, ich habe das in den irischen nicht gefunden: die Übersetzung eines alten, nicht volksmäßigen Gedichts von den drei Schwänen Lirs (K. v. K. 2, 275) macht keine Ausnahme. Eine entschiedene Übereinstimmung habe ich nur in dem vorhin genannten Darby Duly bemerkt, sonst kommt aber in einzelnen Zügen manches Ähnliche vor, wie ich in den Anmerkungen zu Crokers Werk nachgewiesen habe: deutlicher ist die Übereinstimmung in dem Glauben an die Elfen. Die von der Lady Guest aus einer alten Handschrift herausgegebenen gälischen Mabinogion (Märchen) übergehe ich hier: wie werthvoll sie für die Geschichte der Poesie sind, so enthalten sie doch keine aus dem Munde des Volks geschöpfte Sagen, sondern eigenthümlich kalte und unbelebte Darstellungen alter Rittergedichte, die uns wie trockene Auszüge aus bessern Werken gemahnen. Jn Schottland, für sächsische Einwirkungen empfänglicher, läßt sich vielleicht eine so reiche Ernte nicht halten, doch das bekannt

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. XLIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/55>, abgerufen am 25.11.2024.