Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.immer nicht kam, sah Grethel das andere an, und sprach 'wo das eine ist muß das andere auch sein, die zwei gehören zusammen: was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig; ich glaube wenn ich noch einen Trunk thue, so sollte mirs nicht schaden.' Also that es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen. Wie es so im besten essen war, kam der Herr daher gegangen, und rief 'eil dich, Grethel, der Gast kommt gleich nach.' 'Ja,' Herr, wills schon zurichten,' antwortete Grethel. Der Herr sah indessen ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Hausthüre. Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach 'still! still! macht geschwind daß ihr wieder fort kommt, wenn euch mein Herr erwischt, so seid ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur wie er das Messer dazu wetzt.' Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab. Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief 'da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!' 'Ei, warum, Grethel? was meinst du damit?' 'Ja,' sagte es, 'der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.' 'Das ist feine Weise!' sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, 'wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu immer nicht kam, sah Grethel das andere an, und sprach ‘wo das eine ist muß das andere auch sein, die zwei gehören zusammen: was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig; ich glaube wenn ich noch einen Trunk thue, so sollte mirs nicht schaden.’ Also that es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen. Wie es so im besten essen war, kam der Herr daher gegangen, und rief ‘eil dich, Grethel, der Gast kommt gleich nach.’ ‘Ja,’ Herr, wills schon zurichten,’ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Hausthüre. Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach ‘still! still! macht geschwind daß ihr wieder fort kommt, wenn euch mein Herr erwischt, so seid ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur wie er das Messer dazu wetzt.’ Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab. Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief ‘da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!’ ‘Ei, warum, Grethel? was meinst du damit?’ ‘Ja,’ sagte es, ‘der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.’ ‘Das ist feine Weise!’ sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, ‘wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0540" n="458"/> immer nicht kam, sah Grethel das andere an, und sprach ‘wo das eine ist muß das andere auch sein, die zwei gehören zusammen: was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig; ich glaube wenn ich noch einen Trunk thue, so sollte mirs nicht schaden.’ Also that es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.</p><lb/> <p>Wie es so im besten essen war, kam der Herr daher gegangen, und rief ‘eil dich, Grethel, der Gast kommt gleich nach.’ ‘Ja,’ Herr, wills schon zurichten,’ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Hausthüre. Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach ‘still! still! macht geschwind daß ihr wieder fort kommt, wenn euch mein Herr erwischt, so seid ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur wie er das Messer dazu wetzt.’ Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab. Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief ‘da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!’ ‘Ei, warum, Grethel? was meinst du damit?’ ‘Ja,’ sagte es, ‘der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.’ ‘Das ist feine Weise!’ sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, ‘wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [458/0540]
immer nicht kam, sah Grethel das andere an, und sprach ‘wo das eine ist muß das andere auch sein, die zwei gehören zusammen: was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig; ich glaube wenn ich noch einen Trunk thue, so sollte mirs nicht schaden.’ Also that es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.
Wie es so im besten essen war, kam der Herr daher gegangen, und rief ‘eil dich, Grethel, der Gast kommt gleich nach.’ ‘Ja,’ Herr, wills schon zurichten,’ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Jndem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Hausthüre. Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach ‘still! still! macht geschwind daß ihr wieder fort kommt, wenn euch mein Herr erwischt, so seid ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur wie er das Messer dazu wetzt.’ Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab. Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief ‘da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!’ ‘Ei, warum, Grethel? was meinst du damit?’ ‘Ja,’ sagte es, ‘der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.’ ‘Das ist feine Weise!’ sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, ‘wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu
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