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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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er aber diese meine Drei tödten sollte, so würde ich ohne Nachkommenschaft sterben.' Die Frau spricht abermals schmeichelnde Worte zu ihm, worüber der Riese lacht und sich (zum Schlaf) niederlegt. Am andern Morgen steht er früh auf und indem er vorgibt nach vorn auszugehen, geht er nach hinten fort. Die Frau weckt jetzt den in der Grube liegenden Gesser, gibt ihm die zwei goldnen Ringe und berichtet ihm alles, was sie von dem Riesen vernommen hat. Es wird nun erzählt wie Gesser alle Schwierigkeiten überwindet und den Riesen zuletzt tödtet, das Mitgetheilte reicht hin um die Verwandtschaft mit dem deutschen Märchen von dem Teufel mit den drei Goldhaaren (Nr 29) darzuthun, dem unter ähnlichen Umständen seine Geheimnisse abgefragt werden. Noch einige Einzelheiten aus dem Gedicht muß ich anführen, Gesser kocht sieben Menschenhäupter, nimmt das Schädelgebein heraus und verfertigt daraus sieben Trinkschalen, wie Völund in der Edda und Alboin in der langbardischen Sage. Gesser wird in eine Schlangengrube geworfen (S. 104. 260): er tödtet die Schlangen durch Gift, dann ordnet er die großen als Polsterlager, die kleinen als Kopfkissen und legt sich darauf nieder. Jetzt fängt er an zu singen und verkündigt was geschehen ist. Dies erinnert an die nordische Sage von Naynar Lodbrok, der in der Schlangenhöhle vor dem Tod seine Thaten preist.

Von den Märchen der Magyaren kennen wir wahrscheinlich nur einen geringen Theil, Gaal und Mailath gewähren nicht sehr viel und es mangelt dabei an genauer Auffassung und schlichter Erzählung. Besser sind in dieser Beziehung die Stücke aus der Erdelyischen Sammlung. Jch habe schon früher (Bd. 3. S. 433) gezeigt daß bei Gaal der größte Theil ähnlichen deutschen Märchen entspricht, doch ist das äußere Gewand meist sehr verschieden, wie z. B. die drei Königstöchter (Stier S. 34) zeigen, in welchen offenbar

er aber diese meine Drei tödten sollte, so würde ich ohne Nachkommenschaft sterben.’ Die Frau spricht abermals schmeichelnde Worte zu ihm, worüber der Riese lacht und sich (zum Schlaf) niederlegt. Am andern Morgen steht er früh auf und indem er vorgibt nach vorn auszugehen, geht er nach hinten fort. Die Frau weckt jetzt den in der Grube liegenden Gesser, gibt ihm die zwei goldnen Ringe und berichtet ihm alles, was sie von dem Riesen vernommen hat. Es wird nun erzählt wie Gesser alle Schwierigkeiten überwindet und den Riesen zuletzt tödtet, das Mitgetheilte reicht hin um die Verwandtschaft mit dem deutschen Märchen von dem Teufel mit den drei Goldhaaren (Nr 29) darzuthun, dem unter ähnlichen Umständen seine Geheimnisse abgefragt werden. Noch einige Einzelheiten aus dem Gedicht muß ich anführen, Gesser kocht sieben Menschenhäupter, nimmt das Schädelgebein heraus und verfertigt daraus sieben Trinkschalen, wie Völund in der Edda und Alboin in der langbardischen Sage. Gesser wird in eine Schlangengrube geworfen (S. 104. 260): er tödtet die Schlangen durch Gift, dann ordnet er die großen als Polsterlager, die kleinen als Kopfkissen und legt sich darauf nieder. Jetzt fängt er an zu singen und verkündigt was geschehen ist. Dies erinnert an die nordische Sage von Naynar Lodbrok, der in der Schlangenhöhle vor dem Tod seine Thaten preist.

Von den Märchen der Magyaren kennen wir wahrscheinlich nur einen geringen Theil, Gaal und Mailáth gewähren nicht sehr viel und es mangelt dabei an genauer Auffassung und schlichter Erzählung. Besser sind in dieser Beziehung die Stücke aus der Erdélyischen Sammlung. Jch habe schon früher (Bd. 3. S. 433) gezeigt daß bei Gaal der größte Theil ähnlichen deutschen Märchen entspricht, doch ist das äußere Gewand meist sehr verschieden, wie z. B. die drei Königstöchter (Stier S. 34) zeigen, in welchen offenbar

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[XLVI/0052] er aber diese meine Drei tödten sollte, so würde ich ohne Nachkommenschaft sterben.’ Die Frau spricht abermals schmeichelnde Worte zu ihm, worüber der Riese lacht und sich (zum Schlaf) niederlegt. Am andern Morgen steht er früh auf und indem er vorgibt nach vorn auszugehen, geht er nach hinten fort. Die Frau weckt jetzt den in der Grube liegenden Gesser, gibt ihm die zwei goldnen Ringe und berichtet ihm alles, was sie von dem Riesen vernommen hat. Es wird nun erzählt wie Gesser alle Schwierigkeiten überwindet und den Riesen zuletzt tödtet, das Mitgetheilte reicht hin um die Verwandtschaft mit dem deutschen Märchen von dem Teufel mit den drei Goldhaaren (Nr 29) darzuthun, dem unter ähnlichen Umständen seine Geheimnisse abgefragt werden. Noch einige Einzelheiten aus dem Gedicht muß ich anführen, Gesser kocht sieben Menschenhäupter, nimmt das Schädelgebein heraus und verfertigt daraus sieben Trinkschalen, wie Völund in der Edda und Alboin in der langbardischen Sage. Gesser wird in eine Schlangengrube geworfen (S. 104. 260): er tödtet die Schlangen durch Gift, dann ordnet er die großen als Polsterlager, die kleinen als Kopfkissen und legt sich darauf nieder. Jetzt fängt er an zu singen und verkündigt was geschehen ist. Dies erinnert an die nordische Sage von Naynar Lodbrok, der in der Schlangenhöhle vor dem Tod seine Thaten preist. Von den Märchen der Magyaren kennen wir wahrscheinlich nur einen geringen Theil, Gaal und Mailáth gewähren nicht sehr viel und es mangelt dabei an genauer Auffassung und schlichter Erzählung. Besser sind in dieser Beziehung die Stücke aus der Erdélyischen Sammlung. Jch habe schon früher (Bd. 3. S. 433) gezeigt daß bei Gaal der größte Theil ähnlichen deutschen Märchen entspricht, doch ist das äußere Gewand meist sehr verschieden, wie z. B. die drei Königstöchter (Stier S. 34) zeigen, in welchen offenbar

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. XLVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/52>, abgerufen am 25.11.2024.