Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Muth nicht, 'vielleicht,' dachte er, 'läßt der Wolf mit sich reden,' und rief ihm aus dem Wanste zu 'lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.' 'Wo ist der zu holen?' sprach der Wolf. 'Jn dem und dem Haus, da mußt du durch die Gosse hinein kriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst,' und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorrathskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fieng nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte. 'Willst du stille sein,' sprach der Wolf,' 'du weckst die Leute auf.' 'Ei was,' antwortete der Kleine, 'du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,' und fieng von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen daß ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. 'Bleib dahinten,' sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, 'wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht todt ist, so mußt du auf ihn einhauen, und ihm den Leib zerschneiden.' Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief 'lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.' Sprach der Vater voll Freuden 'gottlob, unser liebes Kind hat sich ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Muth nicht, ‘vielleicht,’ dachte er, ‘läßt der Wolf mit sich reden,’ und rief ihm aus dem Wanste zu ‘lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.’ ‘Wo ist der zu holen?’ sprach der Wolf. ‘Jn dem und dem Haus, da mußt du durch die Gosse hinein kriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst,’ und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorrathskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fieng nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte. ‘Willst du stille sein,’ sprach der Wolf,’ ‘du weckst die Leute auf.’ ‘Ei was,’ antwortete der Kleine, ‘du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,’ und fieng von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen daß ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. ‘Bleib dahinten,’ sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, ‘wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht todt ist, so mußt du auf ihn einhauen, und ihm den Leib zerschneiden.’ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief ‘lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.’ Sprach der Vater voll Freuden ‘gottlob, unser liebes Kind hat sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0312" n="230"/> ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Muth nicht, ‘vielleicht,’ dachte er, ‘läßt der Wolf mit sich reden,’ und rief ihm aus dem Wanste zu ‘lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.’ ‘Wo ist der zu holen?’ sprach der Wolf. ‘Jn dem und dem Haus, da mußt du durch die Gosse hinein kriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst,’ und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorrathskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fieng nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte. ‘Willst du stille sein,’ sprach der Wolf,’ ‘du weckst die Leute auf.’ ‘Ei was,’ antwortete der Kleine, ‘du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,’ und fieng von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen daß ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. ‘Bleib dahinten,’ sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, ‘wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht todt ist, so mußt du auf ihn einhauen, und ihm den Leib zerschneiden.’ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief ‘lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.’ Sprach der Vater voll Freuden ‘gottlob, unser liebes Kind hat sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0312]
ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Muth nicht, ‘vielleicht,’ dachte er, ‘läßt der Wolf mit sich reden,’ und rief ihm aus dem Wanste zu ‘lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.’ ‘Wo ist der zu holen?’ sprach der Wolf. ‘Jn dem und dem Haus, da mußt du durch die Gosse hinein kriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, so viel du essen willst,’ und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorrathskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fieng nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen, tobte und schrie, was er konnte. ‘Willst du stille sein,’ sprach der Wolf,’ ‘du weckst die Leute auf.’ ‘Ei was,’ antwortete der Kleine, ‘du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,’ und fieng von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen daß ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. ‘Bleib dahinten,’ sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, ‘wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht todt ist, so mußt du auf ihn einhauen, und ihm den Leib zerschneiden.’ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief ‘lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leibe des Wolfs.’ Sprach der Vater voll Freuden ‘gottlob, unser liebes Kind hat sich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |