Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts schenken wollten, gieng es zur Thüre hinaus. Da sprachen die kleinen Männer untereinander 'was sollen wir ihm schenken, weil es so unartig ist und ein böses neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?' Der erste sprach 'ich schenk ihm daß es jeden Tag häßlicher wird.' Der zweite sprach 'ich schenk ihm daß ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem Mund springt.' Der dritte sprach 'ich schenk ihm daß es eines unglücklichen Todes stirbt.' Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, gieng es verdrießlich nach Haus. Und wie es den Mund aufthat und seiner Mutter erzählen wollte was ihm im Walde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen.

Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachte nur darauf wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid anthun wollte, deren Schönheit doch alle Tage größer ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hieng sie es dem armen Mädchen auf die Schulter, und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, gieng hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hielt still und der König fragte 'mein Kind, wer bist du und was machst du da?' 'Jch bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.' Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah wie es so gar schön war, sprach er 'willst du mit mir fahren?' 'Ach ja, von Herzen gern,' antwortete es,

nichts schenken wollten, gieng es zur Thüre hinaus. Da sprachen die kleinen Männer untereinander ‘was sollen wir ihm schenken, weil es so unartig ist und ein böses neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?’ Der erste sprach ‘ich schenk ihm daß es jeden Tag häßlicher wird.’ Der zweite sprach ‘ich schenk ihm daß ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem Mund springt.’ Der dritte sprach ‘ich schenk ihm daß es eines unglücklichen Todes stirbt.’ Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, gieng es verdrießlich nach Haus. Und wie es den Mund aufthat und seiner Mutter erzählen wollte was ihm im Walde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen.

Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachte nur darauf wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid anthun wollte, deren Schönheit doch alle Tage größer ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hieng sie es dem armen Mädchen auf die Schulter, und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, gieng hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hielt still und der König fragte ‘mein Kind, wer bist du und was machst du da?’ ‘Jch bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.’ Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah wie es so gar schön war, sprach er ‘willst du mit mir fahren?’ ‘Ach ja, von Herzen gern,’ antwortete es,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="83"/>
nichts schenken wollten, gieng es zur Thüre hinaus. Da sprachen die kleinen Männer untereinander &#x2018;was sollen wir ihm schenken, weil es so unartig ist und ein böses neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?&#x2019; Der erste sprach &#x2018;ich schenk ihm daß es jeden Tag häßlicher wird.&#x2019; Der zweite sprach &#x2018;ich schenk ihm daß ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem Mund springt.&#x2019; Der dritte sprach &#x2018;ich schenk ihm daß es eines unglücklichen Todes stirbt.&#x2019; Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, gieng es verdrießlich nach Haus. Und wie es den Mund aufthat und seiner Mutter erzählen wollte was ihm im Walde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen.</p><lb/>
        <p>Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachte nur darauf wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid anthun wollte, deren Schönheit doch alle Tage größer ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hieng sie es dem armen Mädchen auf die Schulter, und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, gieng hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hielt still und der König fragte &#x2018;mein Kind, wer bist du und was machst du da?&#x2019; &#x2018;Jch bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.&#x2019; Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah wie es so gar schön war, sprach er &#x2018;willst du mit mir fahren?&#x2019; &#x2018;Ach ja, von Herzen gern,&#x2019; antwortete es,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0165] nichts schenken wollten, gieng es zur Thüre hinaus. Da sprachen die kleinen Männer untereinander ‘was sollen wir ihm schenken, weil es so unartig ist und ein böses neidisches Herz hat, das niemand etwas gönnt?’ Der erste sprach ‘ich schenk ihm daß es jeden Tag häßlicher wird.’ Der zweite sprach ‘ich schenk ihm daß ihm bei jedem Wort, das es spricht, eine Kröte aus dem Mund springt.’ Der dritte sprach ‘ich schenk ihm daß es eines unglücklichen Todes stirbt.’ Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aber keine fand, gieng es verdrießlich nach Haus. Und wie es den Mund aufthat und seiner Mutter erzählen wollte was ihm im Walde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen. Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachte nur darauf wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid anthun wollte, deren Schönheit doch alle Tage größer ward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer und sott Garn darin. Als es gesotten war, hieng sie es dem armen Mädchen auf die Schulter, und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garn schlittern. Es war gehorsam, gieng hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hielt still und der König fragte ‘mein Kind, wer bist du und was machst du da?’ ‘Jch bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.’ Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah wie es so gar schön war, sprach er ‘willst du mit mir fahren?’ ‘Ach ja, von Herzen gern,’ antwortete es,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/165
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/165>, abgerufen am 22.11.2024.