Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

fragte 'wer bist du?' 'Jch weiß nicht' antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter 'wo bist du her?' 'Jch weiß nicht.' 'Wer ist dein Vater?' Das darf ich nicht sagen.' 'Was brummst du beständig in den Bart hinein?' 'Ei,' antwortete der Junge, 'ich wollte, daß mirs gruselte, aber niemand kann mirs lehren.' 'Laß dein dummes Geschwätz,' sprach der Fuhrmann, 'komm, geh mit mir, ich will sehen daß ich dich unterbringe.' Der Junge gieng mit dem Fuhrmann, und Abends gelangten sie zu einem Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut 'wenn mirs nur gruselte! wenn mirs nur gruselte!' Der Wirth, der das hörte, lachte und sprach 'wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.' 'Ach schweig stille,' sprach die Wirthsfrau, 'so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.' Der Junge aber sagte 'wenns noch so schwer wäre, ich wills einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.' Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe, bis dieser erzählte nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte was gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, ders wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien: in dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen reich genug machen. Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen. Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König und sprach 'wenns erlaubt

fragte ‘wer bist du?’ ‘Jch weiß nicht’ antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter ‘wo bist du her?’ ‘Jch weiß nicht.’ ‘Wer ist dein Vater?’ Das darf ich nicht sagen.’ ‘Was brummst du beständig in den Bart hinein?’ ‘Ei,’ antwortete der Junge, ‘ich wollte, daß mirs gruselte, aber niemand kann mirs lehren.’ ‘Laß dein dummes Geschwätz,’ sprach der Fuhrmann, ‘komm, geh mit mir, ich will sehen daß ich dich unterbringe.’ Der Junge gieng mit dem Fuhrmann, und Abends gelangten sie zu einem Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut ‘wenn mirs nur gruselte! wenn mirs nur gruselte!’ Der Wirth, der das hörte, lachte und sprach ‘wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.’ ‘Ach schweig stille,’ sprach die Wirthsfrau, ‘so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.’ Der Junge aber sagte ‘wenns noch so schwer wäre, ich wills einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.’ Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe, bis dieser erzählte nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte was gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, ders wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien: in dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen reich genug machen. Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen. Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König und sprach ‘wenns erlaubt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="22"/>
fragte &#x2018;wer bist du?&#x2019; &#x2018;Jch weiß nicht&#x2019; antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter &#x2018;wo bist du her?&#x2019; &#x2018;Jch weiß nicht.&#x2019; &#x2018;Wer ist dein Vater?&#x2019; Das darf ich nicht sagen.&#x2019; &#x2018;Was brummst du beständig in den Bart hinein?&#x2019; &#x2018;Ei,&#x2019; antwortete der Junge, &#x2018;ich wollte, daß mirs gruselte, aber niemand kann mirs lehren.&#x2019; &#x2018;Laß dein dummes Geschwätz,&#x2019; sprach der Fuhrmann, &#x2018;komm, geh mit mir, ich will sehen daß ich dich unterbringe.&#x2019; Der Junge gieng mit dem Fuhrmann, und Abends gelangten sie zu einem Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut &#x2018;wenn mirs nur gruselte! wenn mirs nur gruselte!&#x2019; Der Wirth, der das hörte, lachte und sprach &#x2018;wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.&#x2019; &#x2018;Ach schweig stille,&#x2019; sprach die Wirthsfrau, &#x2018;so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.&#x2019; Der Junge aber sagte &#x2018;wenns noch so schwer wäre, ich wills einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.&#x2019; Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe, bis dieser erzählte nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte was gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, ders wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien: in dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen reich genug machen. Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen. Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König und sprach &#x2018;wenns erlaubt
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0104] fragte ‘wer bist du?’ ‘Jch weiß nicht’ antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter ‘wo bist du her?’ ‘Jch weiß nicht.’ ‘Wer ist dein Vater?’ Das darf ich nicht sagen.’ ‘Was brummst du beständig in den Bart hinein?’ ‘Ei,’ antwortete der Junge, ‘ich wollte, daß mirs gruselte, aber niemand kann mirs lehren.’ ‘Laß dein dummes Geschwätz,’ sprach der Fuhrmann, ‘komm, geh mit mir, ich will sehen daß ich dich unterbringe.’ Der Junge gieng mit dem Fuhrmann, und Abends gelangten sie zu einem Wirthshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut ‘wenn mirs nur gruselte! wenn mirs nur gruselte!’ Der Wirth, der das hörte, lachte und sprach ‘wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.’ ‘Ach schweig stille,’ sprach die Wirthsfrau, ‘so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.’ Der Junge aber sagte ‘wenns noch so schwer wäre, ich wills einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.’ Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe, bis dieser erzählte nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte was gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, ders wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien: in dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen reich genug machen. Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen. Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König und sprach ‘wenns erlaubt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-03T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/104
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/104>, abgerufen am 25.11.2024.