Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

ist da, und hat jedem von Euch etwas mitgebracht.' Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder, und riefen 'wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß, wie du, du bist der Wolf.' Da lief der Wolf zu einem Bäcker, und sprach 'ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.' Dann lief er zum Müller, und sprach 'streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.' Der Müller dachte 'der Wolf will einen betrügen' und weigerte sich, aber der Wolf sprach 'wenn du es nicht thust, so fresse ich dich.' Da fürchtete sich der Müller, und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen.

Nun gieng der Bösewicht zum drittenmal zu der Hausthüre, klopfte an und sprach 'macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heim gekommen, und hat jedem von Euch etwas aus dem Walde mitgebracht.' Die Geiserchen riefen 'zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen daß du unser liebes Mütterchen bist.' Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen daß sie weiß war, so glaubten sie es wäre alles wahr und machten die Thüre auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle, und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen hinunter; nur das jüngste jüngste in dem Uhrkasten das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf

ist da, und hat jedem von Euch etwas mitgebracht.’ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder, und riefen ‘wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß, wie du, du bist der Wolf.’ Da lief der Wolf zu einem Bäcker, und sprach ‘ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.’ Dann lief er zum Müller, und sprach ‘streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.’ Der Müller dachte ‘der Wolf will einen betrügen’ und weigerte sich, aber der Wolf sprach ‘wenn du es nicht thust, so fresse ich dich.’ Da fürchtete sich der Müller, und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen.

Nun gieng der Bösewicht zum drittenmal zu der Hausthüre, klopfte an und sprach ‘macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heim gekommen, und hat jedem von Euch etwas aus dem Walde mitgebracht.’ Die Geiserchen riefen ‘zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen daß du unser liebes Mütterchen bist.’ Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen daß sie weiß war, so glaubten sie es wäre alles wahr und machten die Thüre auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle, und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen hinunter; nur das jüngste jüngste in dem Uhrkasten das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="31"/>
ist da, und hat jedem von Euch etwas mitgebracht.&#x2019; Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder, und riefen &#x2018;wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß, wie du, du bist der Wolf.&#x2019; Da lief der Wolf zu einem Bäcker, und sprach &#x2018;ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.&#x2019; Dann lief er zum Müller, und sprach &#x2018;streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.&#x2019; Der Müller dachte &#x2018;der Wolf will einen betrügen&#x2019; und weigerte sich, aber der Wolf sprach &#x2018;wenn du es nicht thust, so fresse ich dich.&#x2019; Da fürchtete sich der Müller, und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen.</p><lb/>
        <p>Nun gieng der Bösewicht zum drittenmal zu der Hausthüre, klopfte an und sprach &#x2018;macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heim gekommen, und hat jedem von Euch etwas aus dem Walde mitgebracht.&#x2019; Die Geiserchen riefen &#x2018;zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen daß du unser liebes Mütterchen bist.&#x2019; Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen daß sie weiß war, so glaubten sie es wäre alles wahr und machten die Thüre auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle, und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen hinunter; nur das jüngste jüngste in dem Uhrkasten das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0069] ist da, und hat jedem von Euch etwas mitgebracht.’ Aber der Wolf hatte seine schwarze Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die Kinder, und riefen ‘wir machen nicht auf, unsere Mutter hat keinen schwarzen Fuß, wie du, du bist der Wolf.’ Da lief der Wolf zu einem Bäcker, und sprach ‘ich habe mich an den Fuß gestoßen, streich mir Teig darüber.’ Dann lief er zum Müller, und sprach ‘streu mir weißes Mehl auf meine Pfote.’ Der Müller dachte ‘der Wolf will einen betrügen’ und weigerte sich, aber der Wolf sprach ‘wenn du es nicht thust, so fresse ich dich.’ Da fürchtete sich der Müller, und machte ihm die Pfote weiß. Ja, so sind die Menschen. Nun gieng der Bösewicht zum drittenmal zu der Hausthüre, klopfte an und sprach ‘macht mir auf, Kinder, euer liebes Mütterchen ist heim gekommen, und hat jedem von Euch etwas aus dem Walde mitgebracht.’ Die Geiserchen riefen ‘zeig uns erst deine Pfote, damit wir wissen daß du unser liebes Mütterchen bist.’ Da legte er die Pfote ins Fenster, und als sie sahen daß sie weiß war, so glaubten sie es wäre alles wahr und machten die Thüre auf. Wer aber hereinkam, das war der Wolf. Sie erschraken und wollten sich verstecken. Das eine sprang unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter die Waschschüssel, das siebente in den Kasten der Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle, und machte nicht langes Federlesen: eins nach dem andern schluckte er in seinen Rachen hinunter; nur das jüngste jüngste in dem Uhrkasten das fand er nicht. Als der Wolf seine Lust gebüßt hatte, trollte er sich fort, legte sich draußen auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/69
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/69>, abgerufen am 22.11.2024.