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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Jch fürchte, ich fürchte, ihr habts da in der Hand; es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch damit fängen, das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.' Dem guten Hans ward bang, 'ach Gott,' sprach er, 'helft mir aus der Noth, ihr wißt hier herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da, und laßt mir eure Gans.' 'Jch muß schon etwas aufs Spiel setzen,' antwortete der Bursche, 'aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet.' Er nahm also das Seil in die Hand, und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort: der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme seiner Heimath zu. 'Wenn ichs recht überlege,' sprach er mit sich selbst, 'habe ich noch Vortheil bei dem Tausch; erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das giebt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr; und endlich die schönen weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!'

Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scheerenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu

'ich schleife die Scheere, und drehe geschwind,
und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.'

Hans blieb stehen, und sah ihm zu; endlich redete er ihn an, und sprach 'euch gehts wohl, weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.' 'Ja,' antwortete der Scheerenschleifer, 'das Handwerk hat einen güldenen Boden.

ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Jch fürchte, ich fürchte, ihr habts da in der Hand; es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch damit fängen, das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.’ Dem guten Hans ward bang, ‘ach Gott,’ sprach er, ‘helft mir aus der Noth, ihr wißt hier herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da, und laßt mir eure Gans.’ ‘Jch muß schon etwas aufs Spiel setzen,’ antwortete der Bursche, ‘aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet.’ Er nahm also das Seil in die Hand, und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort: der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme seiner Heimath zu. ‘Wenn ichs recht überlege,’ sprach er mit sich selbst, ‘habe ich noch Vortheil bei dem Tausch; erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das giebt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr; und endlich die schönen weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!’

Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scheerenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu

‘ich schleife die Scheere, und drehe geschwind,
und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.’

Hans blieb stehen, und sah ihm zu; endlich redete er ihn an, und sprach ‘euch gehts wohl, weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.’ ‘Ja,’ antwortete der Scheerenschleifer, ‘das Handwerk hat einen güldenen Boden.

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ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Jch fürchte, ich fürchte, ihr habts da in der Hand; es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch damit fängen, das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.&#x2019; Dem guten Hans ward bang, &#x2018;ach Gott,&#x2019; sprach er, &#x2018;helft mir aus der Noth, ihr wißt hier herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da, und laßt mir eure Gans.&#x2019; &#x2018;Jch muß schon etwas aufs Spiel setzen,&#x2019; antwortete der Bursche, &#x2018;aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet.&#x2019; Er nahm also das Seil in die Hand, und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort: der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme seiner Heimath zu. &#x2018;Wenn ichs recht überlege,&#x2019; sprach er mit sich selbst, &#x2018;habe ich noch Vortheil bei dem Tausch; erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das giebt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr; und endlich die schönen weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!&#x2019;</p><lb/>
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[493/0531] ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Jch fürchte, ich fürchte, ihr habts da in der Hand; es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch damit fängen, das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.’ Dem guten Hans ward bang, ‘ach Gott,’ sprach er, ‘helft mir aus der Noth, ihr wißt hier herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da, und laßt mir eure Gans.’ ‘Jch muß schon etwas aufs Spiel setzen,’ antwortete der Bursche, ‘aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet.’ Er nahm also das Seil in die Hand, und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort: der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme seiner Heimath zu. ‘Wenn ichs recht überlege,’ sprach er mit sich selbst, ‘habe ich noch Vortheil bei dem Tausch; erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das giebt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr; und endlich die schönen weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!’ Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scheerenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu ‘ich schleife die Scheere, und drehe geschwind, und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.’ Hans blieb stehen, und sah ihm zu; endlich redete er ihn an, und sprach ‘euch gehts wohl, weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.’ ‘Ja,’ antwortete der Scheerenschleifer, ‘das Handwerk hat einen güldenen Boden.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/531>, abgerufen am 22.11.2024.