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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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mir der König seine Tochter zur Frau giebt, und ich in seinem Namen das ganze Reich beherrsche.' 'Muß ist eine harte Nuß: was bleibt mir anders übrig, als daß ich thue was er verlangt?' sagte der König zu seiner Tochter; 'will ich Frieden haben, und die Krone auf meinem Haupte behalten, so muß ich dich hingeben.'

Die Hochzeit ward gefeiert, aber die Königstochter war verdrießlich daß ihr Gemahl ein gemeiner Mann war, der einen schäbigen Hut trug, und einen alten Ranzen umhängen hatte. Sie wäre ihn gerne wieder los gewesen, und sann Tag und Nacht wie sie das bewerkstelligen könnte. Da dachte sie 'sollten seine Wunderkräfte wohl in dem Ranzen stecken?' verstellte sich, liebkoste ihm, und sprach 'wenn du nur den schlechten Ranzen ablegen wolltest, er verunziert dich so sehr, daß ich mich deiner schämen muß.' 'Liebes Kind,' antwortete er, 'dieser Ranzen ist mein größter Schatz, so lange ich den habe, fürchte ich keine Macht der Welt;' und erzählte ihr mit welchen Wunderkräften er begabt sei. Da fiel sie ihm um den Hals, als wenn sie ihn küssen wollte, nahm ihm aber mit Behendigkeit den Ranzen von der Schulter, und lief damit fort. Sobald sie allein war, klopfte sie darauf, und befahl den Kriegsleuten sie sollten ihren vorigen Herrn festnehmen und zum königlichen Pallast hinausführen. Sie gehorchten, und die falsche Frau ließ noch mehr Leute hinter ihm her ziehen, die ihn ganz zum Lande hinausjagen sollten. Da wäre er verloren gewesen wenn er nicht das Hütlein gehabt hätte. Kaum aber waren seine Hände frei, so schwenkte er es ein paar mal: alsbald fieng das Geschütz an zu donnern, und schlug alles nieder, und die

mir der König seine Tochter zur Frau giebt, und ich in seinem Namen das ganze Reich beherrsche.’ ‘Muß ist eine harte Nuß: was bleibt mir anders übrig, als daß ich thue was er verlangt?’ sagte der König zu seiner Tochter; ‘will ich Frieden haben, und die Krone auf meinem Haupte behalten, so muß ich dich hingeben.’

Die Hochzeit ward gefeiert, aber die Königstochter war verdrießlich daß ihr Gemahl ein gemeiner Mann war, der einen schäbigen Hut trug, und einen alten Ranzen umhängen hatte. Sie wäre ihn gerne wieder los gewesen, und sann Tag und Nacht wie sie das bewerkstelligen könnte. Da dachte sie ‘sollten seine Wunderkräfte wohl in dem Ranzen stecken?’ verstellte sich, liebkoste ihm, und sprach ‘wenn du nur den schlechten Ranzen ablegen wolltest, er verunziert dich so sehr, daß ich mich deiner schämen muß.’ ‘Liebes Kind,’ antwortete er, ‘dieser Ranzen ist mein größter Schatz, so lange ich den habe, fürchte ich keine Macht der Welt;’ und erzählte ihr mit welchen Wunderkräften er begabt sei. Da fiel sie ihm um den Hals, als wenn sie ihn küssen wollte, nahm ihm aber mit Behendigkeit den Ranzen von der Schulter, und lief damit fort. Sobald sie allein war, klopfte sie darauf, und befahl den Kriegsleuten sie sollten ihren vorigen Herrn festnehmen und zum königlichen Pallast hinausführen. Sie gehorchten, und die falsche Frau ließ noch mehr Leute hinter ihm her ziehen, die ihn ganz zum Lande hinausjagen sollten. Da wäre er verloren gewesen wenn er nicht das Hütlein gehabt hätte. Kaum aber waren seine Hände frei, so schwenkte er es ein paar mal: alsbald fieng das Geschütz an zu donnern, und schlug alles nieder, und die

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[326/0364] mir der König seine Tochter zur Frau giebt, und ich in seinem Namen das ganze Reich beherrsche.’ ‘Muß ist eine harte Nuß: was bleibt mir anders übrig, als daß ich thue was er verlangt?’ sagte der König zu seiner Tochter; ‘will ich Frieden haben, und die Krone auf meinem Haupte behalten, so muß ich dich hingeben.’ Die Hochzeit ward gefeiert, aber die Königstochter war verdrießlich daß ihr Gemahl ein gemeiner Mann war, der einen schäbigen Hut trug, und einen alten Ranzen umhängen hatte. Sie wäre ihn gerne wieder los gewesen, und sann Tag und Nacht wie sie das bewerkstelligen könnte. Da dachte sie ‘sollten seine Wunderkräfte wohl in dem Ranzen stecken?’ verstellte sich, liebkoste ihm, und sprach ‘wenn du nur den schlechten Ranzen ablegen wolltest, er verunziert dich so sehr, daß ich mich deiner schämen muß.’ ‘Liebes Kind,’ antwortete er, ‘dieser Ranzen ist mein größter Schatz, so lange ich den habe, fürchte ich keine Macht der Welt;’ und erzählte ihr mit welchen Wunderkräften er begabt sei. Da fiel sie ihm um den Hals, als wenn sie ihn küssen wollte, nahm ihm aber mit Behendigkeit den Ranzen von der Schulter, und lief damit fort. Sobald sie allein war, klopfte sie darauf, und befahl den Kriegsleuten sie sollten ihren vorigen Herrn festnehmen und zum königlichen Pallast hinausführen. Sie gehorchten, und die falsche Frau ließ noch mehr Leute hinter ihm her ziehen, die ihn ganz zum Lande hinausjagen sollten. Da wäre er verloren gewesen wenn er nicht das Hütlein gehabt hätte. Kaum aber waren seine Hände frei, so schwenkte er es ein paar mal: alsbald fieng das Geschütz an zu donnern, und schlug alles nieder, und die

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/364>, abgerufen am 25.11.2024.