Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

hobelen,' und ließ ihm keine Ruhe bis er einwilligte. 'Aber die armen Kinder dauern mich doch' sagte der Mann.

Die zwei Kinder hatten aber auch vor Hunger nicht einschlafen können, und hatten gehört was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Grethel weinte bittere Thränen, und sprach zu Hänsel 'nun ists um uns geschehen.' 'Still, Grethel,' sprach Hänsel, 'gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.' Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann gieng er wieder zurück, sprach zu Grethel 'sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen, und legte sich wieder in sein Bett.

Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau, und weckte die beiden Kinder, 'steht auf, ihr Faullenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.' Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot, und sprach 'da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßts nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.' Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Darnach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, und that das wieder und immer wieder. Der Vater sprach 'Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine

hobelen,’ und ließ ihm keine Ruhe bis er einwilligte. ‘Aber die armen Kinder dauern mich doch’ sagte der Mann.

Die zwei Kinder hatten aber auch vor Hunger nicht einschlafen können, und hatten gehört was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Grethel weinte bittere Thränen, und sprach zu Hänsel ‘nun ists um uns geschehen.’ ‘Still, Grethel,’ sprach Hänsel, ‘gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.’ Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann gieng er wieder zurück, sprach zu Grethel ‘sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen, und legte sich wieder in sein Bett.

Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau, und weckte die beiden Kinder, ‘steht auf, ihr Faullenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.’ Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot, und sprach ‘da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßts nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Darnach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, und that das wieder und immer wieder. Der Vater sprach ‘Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="92"/>
hobelen,&#x2019; und ließ ihm keine Ruhe bis er einwilligte. &#x2018;Aber die armen Kinder dauern mich doch&#x2019; sagte der Mann.</p><lb/>
        <p>Die zwei Kinder hatten aber auch vor Hunger nicht einschlafen können, und hatten gehört was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Grethel weinte bittere Thränen, und sprach zu Hänsel &#x2018;nun ists um uns geschehen.&#x2019; &#x2018;Still, Grethel,&#x2019; sprach Hänsel, &#x2018;gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.&#x2019; Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann gieng er wieder zurück, sprach zu Grethel &#x2018;sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen, und legte sich wieder in sein Bett.</p><lb/>
        <p>Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau, und weckte die beiden Kinder, &#x2018;steht auf, ihr Faullenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.&#x2019; Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot, und sprach &#x2018;da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßts nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.&#x2019; Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Darnach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, und that das wieder und immer wieder. Der Vater sprach &#x2018;Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0130] hobelen,’ und ließ ihm keine Ruhe bis er einwilligte. ‘Aber die armen Kinder dauern mich doch’ sagte der Mann. Die zwei Kinder hatten aber auch vor Hunger nicht einschlafen können, und hatten gehört was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Grethel weinte bittere Thränen, und sprach zu Hänsel ‘nun ists um uns geschehen.’ ‘Still, Grethel,’ sprach Hänsel, ‘gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.’ Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Unterthüre auf, und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich, und steckte so viel in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann gieng er wieder zurück, sprach zu Grethel ‘sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen, und legte sich wieder in sein Bett. Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau, und weckte die beiden Kinder, ‘steht auf, ihr Faullenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.’ Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot, und sprach ‘da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßts nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Darnach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still, und guckte nach dem Haus zurück, und that das wieder und immer wieder. Der Vater sprach ‘Hänsel, was guckst du da, und bleibst zurück, hab Acht und vergiß deine Beine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/130
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/130>, abgerufen am 22.11.2024.