Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu weinen, und weinte immer lauter, und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu 'was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.' Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. 'Ach, du bists, alter Wasserpatscher,' sagte sie, 'ich weine über meine goldne Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.' 'Laß dein Jammern,' antwortete der Frosch, 'ich kann wohl Rath schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?' 'Was du willst, lieber Frosch,' sagte sie, 'meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, dazu die goldne Krone, die ich trage.' Der Frosch antwortete 'deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, deine goldne Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad seyn, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldnen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen, und dir die goldne Kugel wieder aus dem Grunde herauf holen.' 'Ach ja', sagte sie, 'ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.' Sie dachte aber 'was der einfältige

Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu weinen, und weinte immer lauter, und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu ‘was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.’ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. ‘Ach, du bists, alter Wasserpatscher,’ sagte sie, ‘ich weine über meine goldne Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.’ ‘Laß dein Jammern,’ antwortete der Frosch, ‘ich kann wohl Rath schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?’ ‘Was du willst, lieber Frosch,’ sagte sie, ‘meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, dazu die goldne Krone, die ich trage.’ Der Frosch antwortete ‘deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, deine goldne Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad seyn, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldnen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen, und dir die goldne Kugel wieder aus dem Grunde herauf holen.’ ‘Ach ja’, sagte sie, ‘ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.’ Sie dachte aber ‘was der einfältige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="2"/>
Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu weinen, und weinte immer lauter, und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu &#x2018;was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.&#x2019; Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. &#x2018;Ach, du bists, alter Wasserpatscher,&#x2019; sagte sie, &#x2018;ich weine über meine goldne Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.&#x2019; &#x2018;Laß dein Jammern,&#x2019; antwortete der Frosch, &#x2018;ich kann wohl Rath schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?&#x2019; &#x2018;Was du willst, lieber Frosch,&#x2019; sagte sie, &#x2018;meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, dazu die goldne Krone, die ich trage.&#x2019; Der Frosch antwortete &#x2018;deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, deine goldne Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad seyn, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldnen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen, und dir die goldne Kugel wieder aus dem Grunde herauf holen.&#x2019; &#x2018;Ach ja&#x2019;, sagte sie, &#x2018;ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.&#x2019; Sie dachte aber &#x2018;was der einfältige
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0051] Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug, und geradezu ins Wasser hinein rollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, und gar kein Grund zu sehen. Da fieng sie an zu weinen, und weinte immer lauter, und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu ‘was hast du vor, Königstochter, du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte.’ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. ‘Ach, du bists, alter Wasserpatscher,’ sagte sie, ‘ich weine über meine goldne Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.’ ‘Laß dein Jammern,’ antwortete der Frosch, ‘ich kann wohl Rath schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?’ ‘Was du willst, lieber Frosch,’ sagte sie, ‘meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, dazu die goldne Krone, die ich trage.’ Der Frosch antwortete ‘deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, deine goldne Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad seyn, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldnen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen, und dir die goldne Kugel wieder aus dem Grunde herauf holen.’ ‘Ach ja’, sagte sie, ‘ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.’ Sie dachte aber ‘was der einfältige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/51
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/51>, abgerufen am 23.11.2024.