der Athem vergieng, und es für todt hinfiel. 'Nun bist du die schönste gewesen,' sprach sie, und eilte hinaus.
Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus, aber wie erschracken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen, und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es todt. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen daß es zu fest geschnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei: da fieng es an ein wenig zu athmen, und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten was geschehen war, sprachen sie, 'die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin, hüte dich, und laß keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.'
Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, gieng vor den Spiegel, und fragte
'Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?'
Da antwortete er wie sonst
'Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber Sneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist noch tausendmal schöner als ihr.'
Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrack sie, denn sie sah wohl daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. 'Nun aber,' sprach sie, 'will ich etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll,' und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete
der Athem vergieng, und es für todt hinfiel. ‘Nun bist du die schönste gewesen,’ sprach sie, und eilte hinaus.
Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus, aber wie erschracken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen, und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es todt. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen daß es zu fest geschnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei: da fieng es an ein wenig zu athmen, und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten was geschehen war, sprachen sie, ‘die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin, hüte dich, und laß keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.’
Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, gieng vor den Spiegel, und fragte
‘Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?’
Da antwortete er wie sonst
‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber Sneewittchen über den Bergen bei den sieben Zwergen ist noch tausendmal schöner als ihr.’
Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrack sie, denn sie sah wohl daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. ‘Nun aber,’ sprach sie, ‘will ich etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll,’ und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbn="319"facs="#f0368"/>
der Athem vergieng, und es für todt hinfiel. ‘Nun bist du die schönste gewesen,’ sprach sie, und eilte hinaus.</p><lb/><p>Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus, aber wie erschracken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen, und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es todt. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen daß es zu fest geschnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei: da fieng es an ein wenig zu athmen, und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten was geschehen war, sprachen sie, ‘die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin, hüte dich, und laß keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.’</p><lb/><p>Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, gieng vor den Spiegel, und fragte</p><lb/><lgtype="poem"><l>‘Spieglein, Spieglein an der Wand,</l><lb/><l>wer ist die schönste im ganzen Land?’</l><lb/></lg><p>Da antwortete er wie sonst</p><lb/><lgtype="poem"><l>‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier,</l><lb/><l>aber Sneewittchen über den Bergen</l><lb/><l>bei den sieben Zwergen</l><lb/><l>ist noch tausendmal schöner als ihr.’</l><lb/></lg><p>Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrack sie, denn sie sah wohl daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. ‘Nun aber,’ sprach sie, ‘will ich etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll,’ und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete
</p></div></body></text></TEI>
[319/0368]
der Athem vergieng, und es für todt hinfiel. ‘Nun bist du die schönste gewesen,’ sprach sie, und eilte hinaus.
Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus, aber wie erschracken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen, und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es todt. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen daß es zu fest geschnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei: da fieng es an ein wenig zu athmen, und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten was geschehen war, sprachen sie, ‘die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin, hüte dich, und laß keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.’
Das böse Weib aber, als es nach Haus gekommen war, gieng vor den Spiegel, und fragte
‘Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?’
Da antwortete er wie sonst
‘Frau Königin, ihr seid die schönste hier,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als ihr.’
Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrack sie, denn sie sah wohl daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. ‘Nun aber,’ sprach sie, ‘will ich etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll,’ und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/368>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.