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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

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will ich schon bändigen, und habe die hundert Reiter dabei nicht nöthig: wer siebene auf einen Streich trifft, braucht sich vor zweien nicht zu fürchten.'

Das Schneiderlein zog aus und die hundert Reiter folgten ihm. Als er zu dem Rand des Waldes kam, sprach er zu seinen Begleitern 'bleibt hier nur halten, ich will schon allein mit den Riesen fertig werden.' Dann sprang er in den Wald hinein, und schaute sich rechts und links um. Ueber ein Weilchen erblickte er beide Riesen, sie lagen unter einem Baume, und schliefen und schnarchten dabei, daß sich die Aeste auf und nieder bogen. Das Schneiderlein, nicht faul, las beide Taschen voll Steine, und stieg damit auf den Baum. Als es in der Mitte war, rutschte es auf einem Ast bis es gerade über die Schläfer zu sitzen kam, und ließ dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen. Der Riese spürte lange nichts, bis er endlich aufwachte, seinen Gesellen anstieß und sprach 'ei, was schlägst du mich.' 'Du träumst,' sagte der andere, 'ich schlage dich nicht.' Sie legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Schneider auf den zweiten einen Stein herab. 'Was soll das?' rief dieser jetzt, 'warum wirfst du mich?' 'Jch werfe dich nicht, du mußt träumen' antwortete der erste. Sie zankten sich ein Weile herum, doch weil sie müde waren, ließen sies gut seyn, und die Augen fielen ihnen wieder zu. Das Schneiderlein fieng sein Spiel von neuem an, suchte den dicksten Stein aus, und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust. 'Das ist zu arg!' schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf, und fiel über seinen Gesellen

will ich schon bändigen, und habe die hundert Reiter dabei nicht nöthig: wer siebene auf einen Streich trifft, braucht sich vor zweien nicht zu fürchten.’

Das Schneiderlein zog aus und die hundert Reiter folgten ihm. Als er zu dem Rand des Waldes kam, sprach er zu seinen Begleitern ‘bleibt hier nur halten, ich will schon allein mit den Riesen fertig werden.’ Dann sprang er in den Wald hinein, und schaute sich rechts und links um. Ueber ein Weilchen erblickte er beide Riesen, sie lagen unter einem Baume, und schliefen und schnarchten dabei, daß sich die Aeste auf und nieder bogen. Das Schneiderlein, nicht faul, las beide Taschen voll Steine, und stieg damit auf den Baum. Als es in der Mitte war, rutschte es auf einem Ast bis es gerade über die Schläfer zu sitzen kam, und ließ dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen. Der Riese spürte lange nichts, bis er endlich aufwachte, seinen Gesellen anstieß und sprach ‘ei, was schlägst du mich.’ ‘Du träumst,’ sagte der andere, ‘ich schlage dich nicht.’ Sie legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Schneider auf den zweiten einen Stein herab. ‘Was soll das?’ rief dieser jetzt, ‘warum wirfst du mich?’ ‘Jch werfe dich nicht, du mußt träumen’ antwortete der erste. Sie zankten sich ein Weile herum, doch weil sie müde waren, ließen sies gut seyn, und die Augen fielen ihnen wieder zu. Das Schneiderlein fieng sein Spiel von neuem an, suchte den dicksten Stein aus, und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust. ‘Das ist zu arg!’ schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf, und fiel über seinen Gesellen

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[132/0181] will ich schon bändigen, und habe die hundert Reiter dabei nicht nöthig: wer siebene auf einen Streich trifft, braucht sich vor zweien nicht zu fürchten.’ Das Schneiderlein zog aus und die hundert Reiter folgten ihm. Als er zu dem Rand des Waldes kam, sprach er zu seinen Begleitern ‘bleibt hier nur halten, ich will schon allein mit den Riesen fertig werden.’ Dann sprang er in den Wald hinein, und schaute sich rechts und links um. Ueber ein Weilchen erblickte er beide Riesen, sie lagen unter einem Baume, und schliefen und schnarchten dabei, daß sich die Aeste auf und nieder bogen. Das Schneiderlein, nicht faul, las beide Taschen voll Steine, und stieg damit auf den Baum. Als es in der Mitte war, rutschte es auf einem Ast bis es gerade über die Schläfer zu sitzen kam, und ließ dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen. Der Riese spürte lange nichts, bis er endlich aufwachte, seinen Gesellen anstieß und sprach ‘ei, was schlägst du mich.’ ‘Du träumst,’ sagte der andere, ‘ich schlage dich nicht.’ Sie legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Schneider auf den zweiten einen Stein herab. ‘Was soll das?’ rief dieser jetzt, ‘warum wirfst du mich?’ ‘Jch werfe dich nicht, du mußt träumen’ antwortete der erste. Sie zankten sich ein Weile herum, doch weil sie müde waren, ließen sies gut seyn, und die Augen fielen ihnen wieder zu. Das Schneiderlein fieng sein Spiel von neuem an, suchte den dicksten Stein aus, und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust. ‘Das ist zu arg!’ schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf, und fiel über seinen Gesellen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/181>, abgerufen am 18.12.2024.