Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer, und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein, 'wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wärmen sie sich,' brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu, und legte sich neben ihn. Ueber ein Weilchen ward auch der Todte warm, und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge 'siehst du, Vetterchen, hätt ich dich nicht gewärmt!' Der Todte aber hub an und rief 'jetzt will ich dich erwürgen.' 'Was,' sagte er, 'ist das mein Dank? nun sollst du wieder in deinen Sarg,' hob ihn auf, warf ihn hinein, und machte den Deckel zu; da kamen die sechs Männer, und trugen ihn wieder fort. 'Es will mir nicht gruseln,' sagte er, 'hier lerne ichs mein Lebtag nicht.'

Da trat ein Mann herein, der war größer als alle andere, und sah fürchterlich aus, doch war er schon alt, und hatte einen langen weißen Bart. 'O du Wicht,' rief er, 'nun sollst du bald lernen was gruseln ist, denn du sollst sterben.' 'Nicht so schnell,' antwortete er, 'soll ich sterben, so muß ich auch dabei seyn.' 'Dich will ich schon packen,' sprach der Unhold. 'Sachte, mach dich nicht gar so breit: so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stärker.' 'Das will ich sehn,' sprach der Alte, 'bist du stärker als ich, so will ich dich lassen; komm, wir wollens versuchen.' Da führte er ihn durch dunkle Gänge zu einem Schmiedefeuer, und nahm eine Axt, und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. 'Das kann ich noch besser,' sprach der Junge, und gieng zu dem andern Amboß, und der Alte stellte

nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer, und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein, ‘wenn zwei zusammen im Bett liegen, so waͤrmen sie sich,’ brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu, und legte sich neben ihn. Ueber ein Weilchen ward auch der Todte warm, und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge ‘siehst du, Vetterchen, haͤtt ich dich nicht gewaͤrmt!’ Der Todte aber hub an und rief ‘jetzt will ich dich erwuͤrgen.’ ‘Was,’ sagte er, ‘ist das mein Dank? nun sollst du wieder in deinen Sarg,’ hob ihn auf, warf ihn hinein, und machte den Deckel zu; da kamen die sechs Maͤnner, und trugen ihn wieder fort. ‘Es will mir nicht gruseln,’ sagte er, ‘hier lerne ichs mein Lebtag nicht.’

Da trat ein Mann herein, der war groͤßer als alle andere, und sah fuͤrchterlich aus, doch war er schon alt, und hatte einen langen weißen Bart. ‘O du Wicht,’ rief er, ‘nun sollst du bald lernen was gruseln ist, denn du sollst sterben.’ ‘Nicht so schnell,’ antwortete er, ‘soll ich sterben, so muß ich auch dabei seyn.’ ‘Dich will ich schon packen,’ sprach der Unhold. ‘Sachte, mach dich nicht gar so breit: so stark wie du bin ich auch, und wohl noch staͤrker.’ ‘Das will ich sehn,’ sprach der Alte, ‘bist du staͤrker als ich, so will ich dich lassen; komm, wir wollens versuchen.’ Da fuͤhrte er ihn durch dunkle Gaͤnge zu einem Schmiedefeuer, und nahm eine Axt, und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. ‘Das kann ich noch besser,’ sprach der Junge, und gieng zu dem andern Amboß, und der Alte stellte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="28"/>
nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer, und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein, &#x2018;wenn zwei zusammen im Bett liegen, so wa&#x0364;rmen sie sich,&#x2019; brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu, und legte sich neben ihn. Ueber ein Weilchen ward auch der Todte warm, und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge &#x2018;siehst du, Vetterchen, ha&#x0364;tt ich dich nicht gewa&#x0364;rmt!&#x2019; Der Todte aber hub an und rief &#x2018;jetzt will ich dich erwu&#x0364;rgen.&#x2019; &#x2018;Was,&#x2019; sagte er, &#x2018;ist das mein Dank? nun sollst du wieder in deinen Sarg,&#x2019; hob ihn auf, warf ihn hinein, und machte den Deckel zu; da kamen die sechs Ma&#x0364;nner, und trugen ihn wieder fort. &#x2018;Es will mir nicht gruseln,&#x2019; sagte er, &#x2018;hier lerne ichs mein Lebtag nicht.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Da trat ein Mann herein, der war gro&#x0364;ßer als alle andere, und sah fu&#x0364;rchterlich aus, doch war er schon alt, und hatte einen langen weißen Bart. &#x2018;O du Wicht,&#x2019; rief er, &#x2018;nun sollst du bald lernen was gruseln ist, denn du sollst sterben.&#x2019; &#x2018;Nicht so schnell,&#x2019; antwortete er, &#x2018;soll ich sterben, so muß ich auch dabei seyn.&#x2019; &#x2018;Dich will ich schon packen,&#x2019; sprach der Unhold. &#x2018;Sachte, mach dich nicht gar so breit: so stark wie du bin ich auch, und wohl noch sta&#x0364;rker.&#x2019; &#x2018;Das will ich sehn,&#x2019; sprach der Alte, &#x2018;bist du sta&#x0364;rker als ich, so will ich dich lassen; komm, wir wollens versuchen.&#x2019; Da fu&#x0364;hrte er ihn durch dunkle Ga&#x0364;nge zu einem Schmiedefeuer, und nahm eine Axt, und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. &#x2018;Das kann ich noch besser,&#x2019; sprach der Junge, und gieng zu dem andern Amboß, und der Alte stellte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0059] nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer, und legte ihn auf seinen Schooß, und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein, ‘wenn zwei zusammen im Bett liegen, so waͤrmen sie sich,’ brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu, und legte sich neben ihn. Ueber ein Weilchen ward auch der Todte warm, und fieng an sich zu regen. Da sprach der Junge ‘siehst du, Vetterchen, haͤtt ich dich nicht gewaͤrmt!’ Der Todte aber hub an und rief ‘jetzt will ich dich erwuͤrgen.’ ‘Was,’ sagte er, ‘ist das mein Dank? nun sollst du wieder in deinen Sarg,’ hob ihn auf, warf ihn hinein, und machte den Deckel zu; da kamen die sechs Maͤnner, und trugen ihn wieder fort. ‘Es will mir nicht gruseln,’ sagte er, ‘hier lerne ichs mein Lebtag nicht.’ Da trat ein Mann herein, der war groͤßer als alle andere, und sah fuͤrchterlich aus, doch war er schon alt, und hatte einen langen weißen Bart. ‘O du Wicht,’ rief er, ‘nun sollst du bald lernen was gruseln ist, denn du sollst sterben.’ ‘Nicht so schnell,’ antwortete er, ‘soll ich sterben, so muß ich auch dabei seyn.’ ‘Dich will ich schon packen,’ sprach der Unhold. ‘Sachte, mach dich nicht gar so breit: so stark wie du bin ich auch, und wohl noch staͤrker.’ ‘Das will ich sehn,’ sprach der Alte, ‘bist du staͤrker als ich, so will ich dich lassen; komm, wir wollens versuchen.’ Da fuͤhrte er ihn durch dunkle Gaͤnge zu einem Schmiedefeuer, und nahm eine Axt, und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde. ‘Das kann ich noch besser,’ sprach der Junge, und gieng zu dem andern Amboß, und der Alte stellte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/59
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/59>, abgerufen am 23.11.2024.