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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Als nun die Königstochter sah daß keine Hoffnung mehr war ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie in der Nacht, wie alles schlief, auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sternen, that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott, und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein.

Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem der Wald gehörte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern ,seht doch was dort für ein Wild sich versteck[t] hat.' Die Jäger giengen hin, und kamen wieder, und sprachen ,in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft.' Sprach der König ,seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt, dann bindets auf den Wagen, und nehmts mit.' Als die Jäger das Mädchen packten, erwachte es, erschrack, und rief ihnen zu ,ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein, und nehmt mich mit.' Da sprachen sie ,Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.' Also setzten sie es auf den Wagen, und fuhren

Als nun die Koͤnigstochter sah daß keine Hoffnung mehr war ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie in der Nacht, wie alles schlief, auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnraͤdchen und ein goldenes Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sternen, that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Haͤnde mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott, und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so muͤde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein.

Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der Koͤnig, dem der Wald gehoͤrte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der Koͤnig zu den Jaͤgern ‚seht doch was dort fuͤr ein Wild sich versteck[t] hat.‘ Die Jaͤger giengen hin, und kamen wieder, und sprachen ‚in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schlaͤft.‘ Sprach der Koͤnig ‚seht zu ob ihrs lebendig fangen koͤnnt, dann bindets auf den Wagen, und nehmts mit.‘ Als die Jaͤger das Maͤdchen packten, erwachte es, erschrack, und rief ihnen zu ‚ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein, und nehmt mich mit.‘ Da sprachen sie ‚Allerleirauh, du bist gut fuͤr die Kuͤche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.‘ Also setzten sie es auf den Wagen, und fuhren

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[419/0450] Als nun die Koͤnigstochter sah daß keine Hoffnung mehr war ihres Vaters Herz umzuwenden, so stand sie in der Nacht, wie alles schlief, auf, nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnraͤdchen und ein goldenes Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sternen, that sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an, und machte sich Gesicht und Haͤnde mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott, und gieng fort, und gieng die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie so muͤde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum, und schlief ein. Sie schlief aber noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der Koͤnig, dem der Wald gehoͤrte, darin jagte, und seine Hunde zu dem Baum kamen, die schnupperten und liefen daran herum und bellten. Sprach der Koͤnig zu den Jaͤgern ‚seht doch was dort fuͤr ein Wild sich versteck[t] hat.‘ Die Jaͤger giengen hin, und kamen wieder, und sprachen ‚in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier, das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schlaͤft.‘ Sprach der Koͤnig ‚seht zu ob ihrs lebendig fangen koͤnnt, dann bindets auf den Wagen, und nehmts mit.‘ Als die Jaͤger das Maͤdchen packten, erwachte es, erschrack, und rief ihnen zu ‚ich bin ein armes Kind, das Vater und Mutter verlassen haben, erbarmt euch mein, und nehmt mich mit.‘ Da sprachen sie ‚Allerleirauh, du bist gut fuͤr die Kuͤche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren.‘ Also setzten sie es auf den Wagen, und fuhren

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/450>, abgerufen am 22.11.2024.