Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

der Hase hätte die Lebenswurzel geholt, er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten; doch wollte er seinen Fehler wieder gut machen. Dann riß er dem Jäger den Kopf wieder ab, drehte ihn herum, und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest.

Der Jäger aber war traurig, zog in der Welt herum, und ließ seine Thiere vor den Leuten tanzen. Es trug sich zu, daß er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam, wo er die Königstochter vom Drachen erlöst hatte, und die Stadt war diesmal ganz mit rothem Scharlach ausgehängt. Da sprach er zum Wirth 'was will das sagen? vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor überzogen, heute mit rothem.' Der Wirth antwortete 'vorm Jahr sollte unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getödtet, und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehängt.'

Am andern Tag, wo die Hochzeit seyn sollte, sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirth 'glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will?' 'Ja,' sprach der Wirth, 'da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dran setzen, daß das nicht wahr ist.' Der Jäger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstücken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach 'geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der König ißt.' Nun war das Häslein das geringste, und konnte es keinem

der Hase haͤtte die Lebenswurzel geholt, er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten; doch wollte er seinen Fehler wieder gut machen. Dann riß er dem Jaͤger den Kopf wieder ab, drehte ihn herum, und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest.

Der Jaͤger aber war traurig, zog in der Welt herum, und ließ seine Thiere vor den Leuten tanzen. Es trug sich zu, daß er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam, wo er die Koͤnigstochter vom Drachen erloͤst hatte, und die Stadt war diesmal ganz mit rothem Scharlach ausgehaͤngt. Da sprach er zum Wirth ‘was will das sagen? vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor uͤberzogen, heute mit rothem.’ Der Wirth antwortete ‘vorm Jahr sollte unsers Koͤnigs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekaͤmpft und ihn getoͤdtet, und da soll morgen ihre Vermaͤhlung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehaͤngt.’

Am andern Tag, wo die Hochzeit seyn sollte, sprach der Jaͤger um Mittagszeit zum Wirth ‘glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Koͤnigs Tisch hier bei ihm essen will?’ ‘Ja,’ sprach der Wirth, ‘da wollt ich doch noch hundert Goldstuͤcke dran setzen, daß das nicht wahr ist.’ Der Jaͤger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstuͤcken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach ‘geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der Koͤnig ißt.’ Nun war das Haͤslein das geringste, und konnte es keinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0412" n="381"/>
der Hase ha&#x0364;tte die Lebenswurzel geholt, er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten; doch wollte er seinen Fehler wieder gut machen. Dann riß er dem Ja&#x0364;ger den Kopf wieder ab, drehte ihn herum, und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest.</p><lb/>
        <p>Der Ja&#x0364;ger aber war traurig, zog in der Welt herum, und ließ seine Thiere vor den Leuten tanzen. Es trug sich zu, daß er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam, wo er die Ko&#x0364;nigstochter vom Drachen erlo&#x0364;st hatte, und die Stadt war diesmal ganz mit rothem Scharlach ausgeha&#x0364;ngt. Da sprach er zum Wirth &#x2018;was will das sagen? vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor u&#x0364;berzogen, heute mit rothem.&#x2019; Der Wirth antwortete &#x2018;vorm Jahr sollte unsers Ko&#x0364;nigs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm geka&#x0364;mpft und ihn geto&#x0364;dtet, und da soll morgen ihre Verma&#x0364;hlung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgeha&#x0364;ngt.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Am andern Tag, wo die Hochzeit seyn sollte, sprach der Ja&#x0364;ger um Mittagszeit zum Wirth &#x2018;glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Ko&#x0364;nigs Tisch hier bei ihm essen will?&#x2019; &#x2018;Ja,&#x2019; sprach der Wirth, &#x2018;da wollt ich doch noch hundert Goldstu&#x0364;cke dran setzen, daß das nicht wahr ist.&#x2019; Der Ja&#x0364;ger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstu&#x0364;cken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach &#x2018;geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der Ko&#x0364;nig ißt.&#x2019; Nun war das Ha&#x0364;slein das geringste, und konnte es keinem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0412] der Hase haͤtte die Lebenswurzel geholt, er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten; doch wollte er seinen Fehler wieder gut machen. Dann riß er dem Jaͤger den Kopf wieder ab, drehte ihn herum, und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest. Der Jaͤger aber war traurig, zog in der Welt herum, und ließ seine Thiere vor den Leuten tanzen. Es trug sich zu, daß er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam, wo er die Koͤnigstochter vom Drachen erloͤst hatte, und die Stadt war diesmal ganz mit rothem Scharlach ausgehaͤngt. Da sprach er zum Wirth ‘was will das sagen? vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor uͤberzogen, heute mit rothem.’ Der Wirth antwortete ‘vorm Jahr sollte unsers Koͤnigs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekaͤmpft und ihn getoͤdtet, und da soll morgen ihre Vermaͤhlung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehaͤngt.’ Am andern Tag, wo die Hochzeit seyn sollte, sprach der Jaͤger um Mittagszeit zum Wirth ‘glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Koͤnigs Tisch hier bei ihm essen will?’ ‘Ja,’ sprach der Wirth, ‘da wollt ich doch noch hundert Goldstuͤcke dran setzen, daß das nicht wahr ist.’ Der Jaͤger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstuͤcken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach ‘geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der Koͤnig ißt.’ Nun war das Haͤslein das geringste, und konnte es keinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/412
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/412>, abgerufen am 22.11.2024.