Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.sagten sie, 'sondern wir haben auch das goldne Pferd und die Jungfrau von dem goldnen Schlosse erbeutet.' Da war große Freude, aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel der pfiff nicht, und die Jungfrau die weinte. Der jüngste Bruder war aber nicht umgekommen. Der Brunnen war zum Glück trocken, und er fiel auf weiches Mos ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder heraus. Auch in dieser Noth verließ ihn der treue Fuchs nicht, kam zu ihm herabgesprungen, und schalt ihn daß er seinen Rath vergessen hatte. 'Jch kanns aber doch nicht lassen,' sagte er, 'und will dir wieder an das Tageslicht helfen.' Dann hieß er ihn seinen Schwanz anpacken und sich fest halten, kroch herauf und schleppte ihn in die Höhe. 'Noch bist du nicht aus aller Gefahr,' sagte der Fuchs, 'deine Brüder haben den Wald mit Wächtern umstellt, die sollen dich tödten, wenn du dich gerettet hättest und dich sehen ließest.' Da saß ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Jüngling die Kleider, und kam an des Königs Hof. Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fieng an zu pfeifen, das Pferd fieng an zu fressen, und die schöne Jungfrau hörte Weinens auf. Der König fragte verwundert 'was hat das zu bedeuten?' Da sprach die Jungfrau 'ich weiß es nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so fröhlich. Es ist, als wäre mein rechter Bräutigam gekommen.' Sie erzählte ihm alles was geschehen war, obgleich die andern Brüder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verrathen würde. Der König hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam er auch sagten sie, ‘sondern wir haben auch das goldne Pferd und die Jungfrau von dem goldnen Schlosse erbeutet.’ Da war große Freude, aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel der pfiff nicht, und die Jungfrau die weinte. Der juͤngste Bruder war aber nicht umgekommen. Der Brunnen war zum Gluͤck trocken, und er fiel auf weiches Mos ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder heraus. Auch in dieser Noth verließ ihn der treue Fuchs nicht, kam zu ihm herabgesprungen, und schalt ihn daß er seinen Rath vergessen hatte. ‘Jch kanns aber doch nicht lassen,’ sagte er, ‘und will dir wieder an das Tageslicht helfen.’ Dann hieß er ihn seinen Schwanz anpacken und sich fest halten, kroch herauf und schleppte ihn in die Hoͤhe. ‘Noch bist du nicht aus aller Gefahr,’ sagte der Fuchs, ‘deine Bruͤder haben den Wald mit Waͤchtern umstellt, die sollen dich toͤdten, wenn du dich gerettet haͤttest und dich sehen ließest.’ Da saß ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Juͤngling die Kleider, und kam an des Koͤnigs Hof. Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fieng an zu pfeifen, das Pferd fieng an zu fressen, und die schoͤne Jungfrau hoͤrte Weinens auf. Der Koͤnig fragte verwundert ‘was hat das zu bedeuten?’ Da sprach die Jungfrau ‘ich weiß es nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so froͤhlich. Es ist, als waͤre mein rechter Braͤutigam gekommen.’ Sie erzaͤhlte ihm alles was geschehen war, obgleich die andern Bruͤder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verrathen wuͤrde. Der Koͤnig hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam er auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0383" n="352"/> sagten sie, ‘sondern wir haben auch das goldne Pferd und die Jungfrau von dem goldnen Schlosse erbeutet.’ Da war große Freude, aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel der pfiff nicht, und die Jungfrau die weinte.</p><lb/> <p>Der juͤngste Bruder war aber nicht umgekommen. Der Brunnen war zum Gluͤck trocken, und er fiel auf weiches Mos ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder heraus. Auch in dieser Noth verließ ihn der treue Fuchs nicht, kam zu ihm herabgesprungen, und schalt ihn daß er seinen Rath vergessen hatte. ‘Jch kanns aber doch nicht lassen,’ sagte er, ‘und will dir wieder an das Tageslicht helfen.’ Dann hieß er ihn seinen Schwanz anpacken und sich fest halten, kroch herauf und schleppte ihn in die Hoͤhe. ‘Noch bist du nicht aus aller Gefahr,’ sagte der Fuchs, ‘deine Bruͤder haben den Wald mit Waͤchtern umstellt, die sollen dich toͤdten, wenn du dich gerettet haͤttest und dich sehen ließest.’ Da saß ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Juͤngling die Kleider, und kam an des Koͤnigs Hof. Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fieng an zu pfeifen, das Pferd fieng an zu fressen, und die schoͤne Jungfrau hoͤrte Weinens auf. Der Koͤnig fragte verwundert ‘was hat das zu bedeuten?’ Da sprach die Jungfrau ‘ich weiß es nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so froͤhlich. Es ist, als waͤre mein rechter Braͤutigam gekommen.’ Sie erzaͤhlte ihm alles was geschehen war, obgleich die andern Bruͤder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verrathen wuͤrde. Der Koͤnig hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam er auch </p> </div> </body> </text> </TEI> [352/0383]
sagten sie, ‘sondern wir haben auch das goldne Pferd und die Jungfrau von dem goldnen Schlosse erbeutet.’ Da war große Freude, aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel der pfiff nicht, und die Jungfrau die weinte.
Der juͤngste Bruder war aber nicht umgekommen. Der Brunnen war zum Gluͤck trocken, und er fiel auf weiches Mos ohne Schaden zu nehmen, konnte aber nicht wieder heraus. Auch in dieser Noth verließ ihn der treue Fuchs nicht, kam zu ihm herabgesprungen, und schalt ihn daß er seinen Rath vergessen hatte. ‘Jch kanns aber doch nicht lassen,’ sagte er, ‘und will dir wieder an das Tageslicht helfen.’ Dann hieß er ihn seinen Schwanz anpacken und sich fest halten, kroch herauf und schleppte ihn in die Hoͤhe. ‘Noch bist du nicht aus aller Gefahr,’ sagte der Fuchs, ‘deine Bruͤder haben den Wald mit Waͤchtern umstellt, die sollen dich toͤdten, wenn du dich gerettet haͤttest und dich sehen ließest.’ Da saß ein armer Mann am Weg, mit dem vertauschte der Juͤngling die Kleider, und kam an des Koͤnigs Hof. Niemand erkannte ihn, aber der Vogel fieng an zu pfeifen, das Pferd fieng an zu fressen, und die schoͤne Jungfrau hoͤrte Weinens auf. Der Koͤnig fragte verwundert ‘was hat das zu bedeuten?’ Da sprach die Jungfrau ‘ich weiß es nicht, aber ich war so traurig, und nun bin ich so froͤhlich. Es ist, als waͤre mein rechter Braͤutigam gekommen.’ Sie erzaͤhlte ihm alles was geschehen war, obgleich die andern Bruͤder ihr den Tod angedroht hatten, wenn sie etwas verrathen wuͤrde. Der Koͤnig hieß alle Leute vor sich bringen, die in seinem Schloß waren, da kam er auch
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/383>, abgerufen am 16.02.2025. |