Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende giengen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da wollt ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte daß kein guter Wind wehte, lief fort, und machte sich auf den Weg nach Bremen, 'dort,' dachte er, 'kannst du ja Stadtmusikant werden.' Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich müde gelaufen. 'Nun, was jappst du so?' sprach der Esel. 'Ach,' sagte der Hund, 'weil ich alt bin, und jeden Tag schwächer werde, und auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen todtschlagen, da hab ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?' 'Weißt du was,' spach der Esel, 'ich gehe nach Bremen, dort Stadtmusikant zu werden, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen.' Der Hund wars zufrieden, und sie giengen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg, und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. 'Nun, was ist dir denn in die Queere gekommen?' sprach der Esel. 'Wer kann
27. Die Bremer Stadmusikanten.
Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte, dessen Kraͤfte aber nun zu Ende giengen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da wollt ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte daß kein guter Wind wehte, lief fort, und machte sich auf den Weg nach Bremen, ‘dort,’ dachte er, ‘kannst du ja Stadtmusikant werden.’ Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich muͤde gelaufen. ‘Nun, was jappst du so?’ sprach der Esel. ‘Ach,’ sagte der Hund, ‘weil ich alt bin, und jeden Tag schwaͤcher werde, und auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen todtschlagen, da hab ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?’ ‘Weißt du was,’ spach der Esel, ‘ich gehe nach Bremen, dort Stadtmusikant zu werden, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen.’ Der Hund wars zufrieden, und sie giengen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg, und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. ‘Nun, was ist dir denn in die Queere gekommen?’ sprach der Esel. ‘Wer kann
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Die Bremer Stadmusikanten.
Es hatte ein Mann einen Esel, der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte, dessen Kraͤfte aber nun zu Ende giengen, so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da wollt ihn der Herr aus dem Futter schaffen, aber der Esel merkte daß kein guter Wind wehte, lief fort, und machte sich auf den Weg nach Bremen, ‘dort,’ dachte er, ‘kannst du ja Stadtmusikant werden.’ Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich muͤde gelaufen. ‘Nun, was jappst du so?’ sprach der Esel. ‘Ach,’ sagte der Hund, ‘weil ich alt bin, und jeden Tag schwaͤcher werde, und auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen todtschlagen, da hab ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?’ ‘Weißt du was,’ spach der Esel, ‘ich gehe nach Bremen, dort Stadtmusikant zu werden, geh mit und laß dich auch bei der Musik annehmen.’ Der Hund wars zufrieden, und sie giengen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg, und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. ‘Nun, was ist dir denn in die Queere gekommen?’ sprach der Esel. ‘Wer kann
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/199>, abgerufen am 22.02.2025.
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