Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.war. Sie hatte das Gelübde gethan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche, wenn sie zuerst sterbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. 'Hat er mich von Herzen lieb,' sagte sie, 'wozu dient ihm dann noch das Leben?' Dagegen wollte sie ein Gleiches thun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Gelübde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Jüngling wurde von ihrer Schönheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. 'Weißt du auch,' sprach der König, 'was du versprechen mußt?' 'Jch muß mit ihr in das Grab gehen,' antwortete er, 'wenn ich sie überlebe, aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte.' Da willigte der König ein, und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert. Nun lebten sie eine Zeitlang glücklich und vergnügt mit einander, da geschah es daß die junge Königin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt ihr helfen konnte. Und als sie todt da lag, da erinnerte sich der junge König was er hatte versprechen müssen, und es grauste ihm davor, aber es war kein Ausweg: der König hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht möglich dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam wo die Leiche in das königliche Gesetz beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgeführt, und dann das Thor verriegelt und verschlossen. Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrath zu war. Sie hatte das Geluͤbde gethan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche, wenn sie zuerst sterbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. ‘Hat er mich von Herzen lieb,’ sagte sie, ‘wozu dient ihm dann noch das Leben?’ Dagegen wollte sie ein Gleiches thun, und wenn er zuerst stuͤrbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Geluͤbde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Juͤngling wurde von ihrer Schoͤnheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. ‘Weißt du auch,’ sprach der Koͤnig, ‘was du versprechen mußt?’ ‘Jch muß mit ihr in das Grab gehen,’ antwortete er, ‘wenn ich sie uͤberlebe, aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte.’ Da willigte der Koͤnig ein, und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert. Nun lebten sie eine Zeitlang gluͤcklich und vergnuͤgt mit einander, da geschah es daß die junge Koͤnigin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt ihr helfen konnte. Und als sie todt da lag, da erinnerte sich der junge Koͤnig was er hatte versprechen muͤssen, und es grauste ihm davor, aber es war kein Ausweg: der Koͤnig hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht moͤglich dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam wo die Leiche in das koͤnigliche Gesetz beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgefuͤhrt, und dann das Thor verriegelt und verschlossen. Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrath zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="103"/> war. Sie hatte das Geluͤbde gethan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche, wenn sie zuerst sterbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. ‘Hat er mich von Herzen lieb,’ sagte sie, ‘wozu dient ihm dann noch das Leben?’ Dagegen wollte sie ein Gleiches thun, und wenn er zuerst stuͤrbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Geluͤbde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Juͤngling wurde von ihrer Schoͤnheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. ‘Weißt du auch,’ sprach der Koͤnig, ‘was du versprechen mußt?’ ‘Jch muß mit ihr in das Grab gehen,’ antwortete er, ‘wenn ich sie uͤberlebe, aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte.’ Da willigte der Koͤnig ein, und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert.</p><lb/> <p>Nun lebten sie eine Zeitlang gluͤcklich und vergnuͤgt mit einander, da geschah es daß die junge Koͤnigin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt ihr helfen konnte. Und als sie todt da lag, da erinnerte sich der junge Koͤnig was er hatte versprechen muͤssen, und es grauste ihm davor, aber es war kein Ausweg: der Koͤnig hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht moͤglich dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam wo die Leiche in das koͤnigliche Gesetz beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgefuͤhrt, und dann das Thor verriegelt und verschlossen.</p><lb/> <p>Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrath zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0134]
war. Sie hatte das Geluͤbde gethan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche, wenn sie zuerst sterbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. ‘Hat er mich von Herzen lieb,’ sagte sie, ‘wozu dient ihm dann noch das Leben?’ Dagegen wollte sie ein Gleiches thun, und wenn er zuerst stuͤrbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Geluͤbde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Juͤngling wurde von ihrer Schoͤnheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. ‘Weißt du auch,’ sprach der Koͤnig, ‘was du versprechen mußt?’ ‘Jch muß mit ihr in das Grab gehen,’ antwortete er, ‘wenn ich sie uͤberlebe, aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte.’ Da willigte der Koͤnig ein, und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert.
Nun lebten sie eine Zeitlang gluͤcklich und vergnuͤgt mit einander, da geschah es daß die junge Koͤnigin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt ihr helfen konnte. Und als sie todt da lag, da erinnerte sich der junge Koͤnig was er hatte versprechen muͤssen, und es grauste ihm davor, aber es war kein Ausweg: der Koͤnig hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht moͤglich dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam wo die Leiche in das koͤnigliche Gesetz beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgefuͤhrt, und dann das Thor verriegelt und verschlossen.
Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrath zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |